Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
kleinen Hund herauszuholen, den er seiner Frau geschenkt hat. Das hat ihn das Leben gekostet. «
» Wie schrecklich. « Einen Moment lang lehnte sie den Kopf gegen seine Brust. Martin tot? Diese Worte erschienen ihr zu unfassbar, um wahr zu sein. Wie Blei sickerte die Nachricht durch ihre Adern. Anna schnappte nach Luft. Wir hätten miteinander reden müssen, durchfuhr es sie. Oh mein Gott.
» Therese und Martin waren so glücklich « , fuhr Onkel Gerald fort.
Erneut schluchzte er auf, und Anna umarmte ihn wortlos. Wie zerbrechlich Pfanner auf einmal wirkte. Wie einfach es plötzlich war, ihm nahe zu sein.
» Macht bitte Platz! « , forderte eine kräftige Stimme sie auf.
Anna löste sich von dem Onkel und erstarrte. Zwei Männer traten aus dem Eingang des Unglückshauses auf die Gasse, zwischen sich einen von einem Leichentuch bedeckten Körper.
Onkel Gerald wandte sich ab. » Komm mit ins Haus « , bat er, ohne Anna anzusehen.
Mit schleppenden Schritten ging er voraus, während sie auf seinen breiten Rücken starrte und ihm mit weichen Knien folgte.
Die beiden saßen nebeneinander in seiner Küche, vereint in stummer Fassungslosigkeit. Irgendwann tastete Gerald Pfanner nach ihrer Hand. Seine Stimme klang tonlos.
» Es ist lange her, seit wir uns zuletzt gesehen haben. Und jetzt stehst du plötzlich vor mir, ausgerechnet im schrecklichsten Moment meines Lebens, in dem ich … meinen Sohn verloren habe. Das muss eine Fügung Gottes sein. «
Unfähig, ihm zu antworten, drückte sie nur seine Hand.
» Ich hoffe, du hast Martin und mir inzwischen verziehen, Mädel. « Pfanner seufzte. » Glaub mir, was ich getan habe, ist nur zu eurem Besten geschehen. «
Anna schluckte die Antwort herunter, die ihr auf der Zunge lag. Wer wusste schon, welche Wendung ihr Leben ansonsten genommen hätte. Nun war Martin tot und es gab keine Möglichkeit mehr, sich mit ihm auszusprechen und zu versöhnen. Gequält schloss sie die Augen.
» Ich hätte dir mehr Zeit lassen müssen, die Wahrheit selbst zu erkennen. «
» Von welcher Wahrheit sprichst du, Onkel Gerald? «
» Davon, dass mir von Anfang an klar war, dass Martins Gefühle für dich … sagen wir mal … eher die eines unreifen Jungen waren. « Aus seiner Manteltasche holte er ein Tuch hervor und schnäuzte sich.
Ihre Blicke begegneten sich.
» Deshalb hast du uns voneinander getrennt, bevor wir deine Pläne durchkreuzen konnten? « , stieß Anna fassungslos hervor.
» Was ich getan habe, war nicht recht « , fuhr der Onkel fort, » aber ich habe befürchtet, du läufst mit Martin fort, wenn du früher von meinen Plänen erfahren hättest. «
» Das hätte durchaus geschehen können « , räumte Anna stockend ein, überrascht von seiner Ehrlichkeit.
» Meine Vermutung bestätigte sich letztlich an dem Tag, an dem ich Martin Therese vorgestellt habe. Es war Liebe auf den ersten Blick. Ich kenne dich, Anna, du hättest all meine Warnungen in den Wind geschrieben. Deshalb zürne mir ruhig, aber ich … ich habe dich letztlich vor einer unglücklichen Ehe bewahrt. «
» Das ist wahr « , flüsterte sie. » Wie ist es zu dem Feuer gekommen? «
Er senkte den Kopf. » Ich glaube, es war drei Stunden vor Sonnenaufgang, als ich den Turmwächter Feueralarm blasen hörte. Kurz darauf läuteten die Feuerglocken Sturm. Warum der Brand ausbrach, weiß ich nicht. «
Sie erhob sich, denn sie hielt weder die Trauer auf Onkel Geralds Miene noch die Erinnerungen aus, die sie einer Welle gleich zu überfluten drohten. » Ich muss heim zu meinem Kind « , erwiderte sie mit tränenerstickter Stimme.
» Du wohnst inzwischen in der Waaggasse, nicht wahr? Vor Weihnachten war ich dort, um der Witwe Korbinian Dietls mein Beileid auszusprechen. Mein Gott, ich wusste zu dem Zeitpunkt ja nicht, dass du es bist, Anna. Bis ich Sebastian gegenüberstand. «
Sie wischte sich übers Gesicht. » Du hast meinen Mann gekannt, Onkel Gerald? «
» Flüchtig. Er war ein Kunde von mir und hat des Öfteren etwas für seine Frau bei mir gekauft. Kommst du mit der Kleinen zurecht? «
Sie nickte.
» Ich nehme an, dein Bruder beaufsichtigt sie momentan? «
» So ist es, Onkel Gerald. Du weißt sicher, dass Sebastian nicht mehr bei dem Beinschnitzer arbeitet. «
» Stöckl hat es mir berichtet. Er war wohl nicht zufrieden mit dem Jungen, um es vorsichtig auszudrücken. «
» Die Beinschnitzerei war nicht das Richtige für ihn, Onkel. Ich bin mir sicher, Sebastian wird eine bessere Arbeit finden.
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