Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
Stände aufgebaut, als Sebastian drei Tage nach ihrer Begegnung mit Tassilo den Grünen Markt passierte, um nach den Gestalten Ausschau zu halten, die auf den Stufen der Kirchen und Patrizierhäuser kauerten und den Leuten ihre schmuddeligen Mützen entgegenstreckten.
Die Suche nach Caspar gestaltete sich schwierig. Zwischen Frauenkirche und Schönem Brunnen war jedenfalls nichts von ihm zu sehen. Deshalb überquerte er die Pegnitz und lief nach Süden. Mittlerweile war Sebastian nahe dem Weißen Turm angelangt. Der Wind frischte auf und brachte eine willkommene Abkühlung. Einen Steinwurf entfernt konnte er eine Gruppe Gestalten ausmachen, die eng beieinanderstanden und sich unterhielten. Helles Lachen erklang. Sebastian schlug die Kapuze seines Umhanges hoch, denn ein feiner Nieselregen hatte eingesetzt. Nach kurzem Zögern trat er näher. Sechs junge Weiber sahen ihm ungeniert posierend entgegen, und als ihm bewusst wurde, mit wem er es zu tun hatte, wollte er sich auf dem Absatz umdrehen und Reißaus nehmen. Da schlenderte eine von ihnen mit wiegenden Hüften auf ihn zu. Ihr Dekolleté war beachtlich, das tief ausgeschnittene Gewand ließ die zarte Haut an ihren Brüsten blitzen. Sebastian sog tief die laue Sommerluft in die Lungen.
» Schaut Euch nur diesen schmucken jungen Kerl an! « , rief die Frau, wobei sie sich nach den anderen Weibern umblickte. Schon stand sie so dicht vor ihm, dass er ihren warmen Atem am Hals spüren konnte. Mit einer schnellen Bewegung schob sie ihm die Kapuze vom Kopf und grub ihre Finger in sein Haar. » Grüß Gott, Hübscher! «
» Danke, aber würdest du bitte deine Hände aus meinem Haar nehmen? « , brachte er stockend hervor.
Sie zog einen Schmollmund und ließ ihn los. » Schade, ich hatte gehofft, du würdest mit mir auf meine Kammer kommen. « Sie presste ihren wohlgeformten Leib an seinen. » Für ein paar Pfennige bin ich ganz lieb zu dir. Darfst auch selber bestimmen, wie viel ich dir wert bin. «
Sebastians Mund wurde trocken, und er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. » Danke, kein Bedarf. « Er zog die Kapuze wieder über den Kopf und trat einen Schritt zurück. » Du könntest dir die Pfennige allerdings auf andere Weise verdienen. «
Ihre dunkel geschminkten Augen leuchteten auf. » Wie denn? «
Sebastian schilderte ihr mit wenigen Worten sein Anliegen und beschrieb ihr Caspars Aussehen.
Die etwas groben Züge der Dirne erhellten sich. » Caspar? Und ob ich den kenne! « Sie grinste und zeigte dabei eine breite Zahnlücke. » Ihm mag zwar ein Arm fehlen, mein Hübscher, dafür ist er umso geschickter mit seinem … «
» Erspar mir die Einzelheiten. Weißt du, wo er ist? «
Sie warf das helle Haar zurück und betrachtete ihn aus halb geschlossenen Lidern. » Zwei Pfennige. «
» Sollst du haben. Jetzt spuck’s schon aus. «
» Bei den Kornhäusern, unten am Henkerstieg « , flüsterte sie ihm ins Ohr. » Jedenfalls habe ich ihn da heute Morgen noch gesehen. «
Er schob sie von sich, griff in seinen Beutel, gab ihr die vereinbarte Summe und ging davon.
Der Nieselregen hatte mittlerweile aufgehört. Sebastian schlug den Weg zum Fluss ein und lief über die nächstgelegene Brücke. Er warf einen Blick über das Geländer. Rot gefärbt war das Wasser der Pegnitz von den Abfällen der Fleischhauer hier. Am Grünen Markt bog er in eine der zahllosen Gassen zwischen den Verkaufsständen ein, hinter denen die Gewürz-, Obst- und Gemüsehändler lautstark ihre Waren anpriesen. Tief sog er den Duft frischgebackenen Brotes ein, der von den Bäckerbuden herüberwehte. Lautes Blöken und Gackern erfüllten die Luft. Sebastian wendete sich in Richtung der Kornhäuser.
Schon aus der Ferne konnte er inmitten einer Gruppe Männer, die sich um den Rand des Hiserleinbrunnens versammelt hatte, den einstigen Weggefährten ausmachen. Als Caspar Sebastian mit zögernden Schritten auf sich zukommen sah, sprang er auf und lief ihm entgegen.
» He, Stäubling, dich hab ich ja ewig nicht gesehen. Dachte schon, du hast die Stadt verlassen « , rief er aus und streckte ihm die Hand entgegen.
Sebastian ergriff sie. » Wie du siehst, lebe ich noch hier. Bist du immer noch als Beutelschneider unterwegs? «
» He, nicht so laut. « Der andere trat einen Schritt zurück. » Was soll ich machen, die Zeiten sind schlecht. Du warst dir ja zu fein dafür. « Caspar maß ihn von oben bis unten. » Egal, bin dir nicht mehr böse. Jeder muss tun, was er für richtig hält. Sag
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