Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
wandte bei dem Geräusch den Kopf.
» Stäubling! «
Der Badende, der den Blick auf ihn gerichtet hielt, war der Kupferschmied. Seit er vor Gericht gegen die Bruderschaft ausgesagt hatte, hatten sich die beiden nicht mehr gesehen.
» Tilmann Schimpf « , kam es Sebastian zögernd über die Lippen.
» Grüß Gott, Sebastian. Nur herein mit dir, das Wasser ist herrlich an einem Tag wie diesem! «
Sebastian stieg über den hüfthohen Rand des Bottichs und ließ sich in das kühle Nass gleiten, in das der Bader Seifenlauge gegossen hatte. Das schaumige Wasser verströmte einen angenehmen Duft.
» Erzähl mal, Tilmann, wie ist es dir ergangen seit unserer letzten Begegnung? «
Der andere hob die kräftigen Schultern. » Einige Tage nach der Flucht unseres Propheten « , begann er und verzog spöttisch das Gesicht, » hat man mir einen Pflasterstein mit einer Warnung ins Fenster geworfen. Ich sei ein Judas, das Schicksal des Verräters würde mich ereilen. Am nächsten Morgen fand ich einen zu einer Henkersschlinge geknoteten Strick vor der Haustür. «
» Wenn ich geahnt hätte, was für Schurken unter Elias Anhängern sind, hätte ich mich dieser vermaledeiten Bruderschaft niemals angeschlossen « , schnaubte Sebastian. » Erinnerst du dich, wie Ferdinand in der Schänke bei den Hallerwiesen den Lutheraner verprügelt hat? «
» Damals haben wir alle beide zugesehen, ohne einzuschreiten « , ergänzte der andere leise.
» Seit jenem Tag habe ich daran gezweifelt, ob es richtig war, mich Elia anzuschließen « , fuhr Sebastian fort.
» Ich auch « , gab der Ältere zu. » Dennoch hat es noch bis kurz vor der Verhandlung gedauert, bis ich den Mut fand, die Bruderschaft zu verlassen. Den Ausschlag gab schließlich sein Befehl, Grubers Haus in Brand zu setzen. Am nächsten Tag hörte ich, wie sich Ferdinand und Dietrich damit brüsteten, ganze Arbeit geleistet zu haben. «
Sebastian tauchte den Schwamm ins Wasser und wusch sich den Hals.
» Hast du von dem Überfall im letzten November gehört, Sebastian? Ein Mann, der auf der Straße von Ansbach nach Nürnberg unterwegs war, wurde zusammengeschlagen und einfach liegen gelassen. «
» Nein, darüber ist mir nichts zu Ohren gekommen. Woher weißt du davon? «
» Einer der Brüder hat es mir erzählt. Ich glaube, du hast die Bruderschaft zwei Wochen später verlassen. Sag, wo lebst du eigentlich, nachdem sie Sepp gebrandmarkt und aus der Stadt gejagt haben? Seine Eltern werden dich wohl kaum weiterhin beherbergen. «
» Ich habe damals schon bei den Eltern einer Freundin gewohnt. Später hat mich dann meine Schwester aufgenommen « , antwortete Sebastian, » schon im letzten Dezember. Wir hatten uns über ein halbes Jahr lang nicht mehr gesehen. «
» Deine Schwester besitzt ein Haus? «
Sebastian seufzte. » Es hat ihrem Mann gehört. Aber das tut jetzt nichts zur Sache. Ich muss gehen. Besuch mich doch mal in der Waaggasse, wenn du Zeit hast. «
» Mach ich bestimmt, Stäubling. War schön, dich zu treffen. «
Der Kupferschmied reichte ihm die Hand, und Sebastian stieg aus dem Zuber. Er griff nach einem der bereitliegenden Handtücher und trocknete sich ab.
Zur selben Zeit saß Anna am Küchentisch und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Das Fenster hatte sie weit geöffnet, es war beinahe windstill und eine Abkühlung nicht in Sicht. Sie lugte zu den Stoffresten hinüber, die seit dem letzten Besuch des Onkels am Morgen auf einem der Stühle lagen. Lenchen brauchte für den Winter einen Mantel. Nachdenklich ruhte ihr Blick auf dem Kind, das nur mit einem dünnen Hemdchen bekleidet auf dem Boden saß und mit seiner geliebten Puppe spielte. Anna hielt mehrere Stoffreste guter Qualität sowie drei Ellen robuste, in einem hübschen Grünton gefärbte Wolle in den Händen und betrachtete sie dankbar. Onkel Gerald gab sich wirklich alle Mühe, um die alten Zwistigkeiten zwischen ihnen aus dem Weg zu räumen.
In diesem Moment betrat Sebastian die Küche und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Sie setzte Lenchen auf einen der Stühle, während der Bruder ihr von seiner Begegnung mit Tilmann Schimpf im Badehaus erzählte. Dabei erwähnte er auch den zusammengeschlagenen Mann.
» Im letzten November, sagst du? « Sie sprang auf. Wie durch einen Nebel vernahm sie die Stimme ihres Bruders, der sie festhielt, damit sie nicht hinfiel.
» Anna, setz dich. Du bist ja totenbleich. « Er drückte sie auf die Holzbank und ließ sich neben ihr nieder.
Bilder aus der
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