Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
sicher? Bitte versteht mich nicht falsch, Anna. Wir würden uns von Herzen für Euch freuen. Aber die Tatsache, dass man einen anderen für Euren Gatten gehalten hat, bedeutet noch nicht, er ist am Leben, nicht wahr? «
Anna betrachtete das Augenpaar der Freundin, das mitfühlend auf ihr ruhte. Sie seufzte. » Das stimmt, Frau Dürer. Dennoch kann ich es einfach nicht glauben. Nennt mich meinetwegen eine Närrin « , sie tippte sich auf die Brust, » aber wenn Korbinian tot wäre, würde ich es spüren. Doch da ist eine Verbindung. In meinen Träumen ist Korbinian am Leben. « Noch während sie diese Worte aussprach, wusste sie, wie unglaublich sich das in Frau Dürers Ohren anhören musste.
» So, Frau Dietl, das Porträt Eures Gatten ist fertig « , unterbrach der Hausherr die beiden Frauen und betrat den Raum. » Ich denke, Euer Gatte müsste darauf zu erkennen sein. « Er reichte Anna das Blatt.
Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit hatte Albrecht Dürer das Bild diesmal nicht signiert . Der Meister hatte die ihr so vertrauten Züge mit Zeichenkohle auf das Papier gebannt und ihren Gemahl wahrlich gut getroffen. Ihr Herz krampfte sich zusammen. Sie bedankte sich sehr herzlich bei dem Maler.
» Das habe ich gern getan, Frau Dietl « , erwiderte er. » Hoffen wir, dass die Zeichnung Euch dazu verhilft, Euren Korbinian zu finden. «
» Am liebsten würde ich gleich morgen mit der Suche beginnen, Frau Dürer « , bat Anna, nachdem sich der Maler verabschiedet hatte.
» Aber natürlich, meine Liebe. Marianne und Susanne kommen schon allein zurecht. Nehmt Euch so viel Zeit, wie Ihr benötigt. «
Anna erhob sich, rollte die kleine Zeichnung zusammen und schob sie in ihren Beutel.
» Geht mit Gott « , sagte Agnes Dürer warm, » meine Gebete werden Euch begleiten. Bringt die Kleine zu Susanne, damit Ihr Zeit und Muße habt. Bitte meldet Euch sofort bei uns, wenn Ihr etwas herausgefunden habt. «
» Das mache ich. Habt vielen Dank für Euer Verständnis. Ich muss jetzt heim zu meinem Kind. «
Sebastian erbleichte, als Anna ihm kurz darauf erzählte, was sich an diesem Tag alles zugetragen hatte.
» Morgen werde ich jedenfalls mit der Suche nach Korbinian beginnen « , sagte sie entschlossen.
» Ich werde dich begleiten. «
KAPITEL 45
N ach dem Frühmahl brachte Anna die Kleine zu Susanne. Dann begaben sich die Geschwister zum Spittlertor. Zwar meinte einer der Wächter, dem sie Dürers Kohlezeichnung zeigte, Korbinian wiederzuerkennen, doch half ihr das nicht weiter. Dass ihr Mann in Richtung Ansbach gereist und dort angekommen war, hatte Tobias Brandl ihr längst bestätigt. Was war während seiner Rückreise geschehen? Leider konnte sich der Torwächter nicht erinnern, ob er Korbinian beim Verlassen oder Zurückkehren in die Stadt gesehen hatte. Der nächste Ort, den Anna und Sebastian aufsuchten, war ein Spital in einem Dorf unweit von Schwabach. Das schlichte Gebäude lag in einen hübschen Garten eingebettet im Sonnenlicht vor ihnen. Über dem ausladenden Portal prangte der Name des Spitals in goldenen Lettern.
» Soll ich dich begleiten, Liebes? «
» Nein danke, Sebastian. Bleib du lieber beim Wagen « , erwiderte Anna mit tonloser Stimme.
Sie küsste ihn auf die Wange und wollte eben das Gebäude betreten, als eine junge, mit einem Berg Wäsche schwer beladene Schwester das Spital verließ.
» Grüß Gott. Kann ich Euch helfen? «
Anna stellte sich unter eine alte Kastanie, deren tief hängende Äste ihr einen willkommenen Schattenplatz boten, denn ihr war heiß und sie fühlte sich matt. Dann schilderte sie der Schwester ihr Anliegen.
» Das Beste wird sein, Ihr fragt bei unserem Spitalmeister nach. Geht durch die Tür und haltet Euch links. Am Ende des Ganges findet Ihr seine Schreibstube. Ich habe ihn allerdings heute noch nicht gesehen. «
Anna bedankte sich und schlüpfte ins Innere. Wenig später stand sie vor einem Mann mit einem spärlichen Haarschopf und wiederholte ihr Gesuch.
» Mein Gatte ist seit dem letzten November unauffindbar « , beendete sie ihre Ausführungen.
» Wie lautet sein Name? « , fragte der Spitalmeister.
» Dietl. Korbinian Dietl. «
» Bitte wartet einen Moment. « Er machte sich an einem hohen Regal zu schaffen, suchte eine lange Reihe ab und zog schließlich einen Stapel Pergamente hervor, um sie auf seinem Schreibtisch auszubreiten. Einer Schublade entnahm er eine Lupe und griff nach dem obersten Pergament. Anna sah zu, wie der Spitalmeister ein Dokument
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