Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)

Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
Vom Netzwerk:
nach dem anderen zur Hand nahm und prüfte. Endlich legte er das Vergrößerungsglas beiseite und hob den Kopf. » Bedaure, wir haben keinen Mann diesen Namens in unserem Haus aufgenommen. «
    » Seid Ihr sicher? Ich meine, habt Ihr auch alles …? « Anna kam es vor, als würde sich eine dunkle Wolke über ihr zusammenbrauen. Ihr Herz pochte dumpf gegen die Rippen.
    » Wollt Ihr meine Kompetenz anzweifeln, Frau Dietl? «
    » Nein, natürlich nicht. Entschuldigt. « Sie erhob sich rasch, murmelte einen Dank und wandte sich zum Gehen. Dann drehte sie sich noch einmal um, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. » Könnte es vielleicht auch sein, dass Ihr Verletzte versorgt habt, deren Namen Euch nicht bekannt waren? Bitte, ich muss es wissen. «
    Der Spitalmeister beugte sich erneut über den Stapel. » Tut mir leid, weder im November noch im Dezember vergangenen Jahres. Ich kann Euch leider nicht helfen. «
    Ohne ein weiteres Wort stolperte Anna hinaus ins Freie. Sie registrierte noch Sebastians fragenden Blick, dann schmiegte sie sich in seine Arme und weinte.
    So verging Tag um Tag. In allen Ortschaften, an denen die Straße nach Ansbach vorbeiführte, fragte Anna in den folgenden Tagen nach, ob jemand den Mann wiedererkannte, den die Kohlezeichnung darstellte. Ihre Bemühungen blieben jedoch erfolglos.
    Niedergeschlagen begaben sie sich eine gute Woche später, es war an einem Sonntagnachmittag, auf den Heimweg nach Nürnberg. Einmal mehr hatte Anna das Gefühl, ihre Suche sei ein aussichtsloses Unterfangen. Wenn Korbinian noch am Leben war, warum kam er dann nicht nach Hause? Auch der Spitalmeister hatte ihr zum Abschied diese Frage gestellt, wie einige andere vor ihm. Vielleicht blickten all die Menschen, die sie inzwischen befragt hatte, nur mitleidig auf sie herab und nannten sie hinter vorgehaltener Hand eine trauernde Witwe, die den Tatsachen nicht ins Auge sehen wollte?
    In Schwabach brachte Sebastian den Pferdewagen, den die Dürers ihnen für die Fahrten zur Verfügung stellten, vor dem Eingang einer Wirtschaft zum Stehen. Vor einigen Tagen hatte Anna dem Besitzer bereits die Zeichnung mit Korbinians Porträt gezeigt.
    » Lass uns einkehren und etwas trinken, bevor wir weiterfahren « , schlug Sebastian vor. » Es ist so heiß heute. «
    In der Schankstube, in der sich zahlreiche Männer jeden Alters aufhielten, war es angenehm kühl. Als die Frau des Wirts Anna und Sebastian gewahr wurde, trat sie auf die Geschwister zu.
    » Gott zum Gruße. Sucht Euch einen Platz, Ihr seht ja selbst, es ist ziemlich voll hier. « Sie wies in eine Ecke, in der zwei Frauen auf einer Bank hockten und sich angeregt mit einem beleibten Mann unterhielten. » Dahinten ist noch etwas frei. «
    Die jüngere der beiden Frauen war etwa in Annas Alter, bei der anderen mochte es sich um die Mutter handeln. Die Ähnlichkeit war unübersehbar, obwohl ein dünner Schleier die Gesichter verbarg.
    » Ich komme gleich zu Euch und nehme die Bestellung auf « , versprach die Wirtin. » Wollt Ihr etwas essen? «
    » Bringt uns nur zwei Becher Bier « , rief Sebastian ihr nach und steuerte auf den kleinen Tisch zu, an dem die beiden Weiber und der Dicke saßen.
    Beim Nähertreten bemerkte Anna, dass die Schleier der Frauen von einem fingerdicken grünen Strich durchzogen waren. Sie blieb stehen und hielt ihren Bruder am Ärmel zurück. » Das sind … « , raunte sie ihm zu.
    » … Hübschlerinnen, ich weiß « , gab Sebastian ebenso leise zurück. » Soll ich deswegen auf einen Becher kühlen Gerstensaft verzichten oder mein Bier im Stehen trinken? Komm schon, setzen wir uns dazu. «
    Anna seufzte ergeben, und die Geschwister ließen sich gegenüber von den Huren und dem Mann nieder, bei dem es sich offensichtlich um einen Freier handelte. Als seine rechte Hand unter dem Tisch verschwand und die junge Hübschlerin gleich darauf einen spitzen Schrei von sich gab, wandte Anna den Kopf ab. Ein paar der anderen Gäste blickten herüber, und ihr schoss das Blut ins Gesicht . Am liebsten hätte sie die Schänke auf der Stelle verlassen, aber nun brachte die Wirtin zwei Krüge schäumenden Bieres. Sie atmete tief durch und nahm einen Schluck.
    » Tut gut bei der Hitze, was? « Die ältere der beiden Frauen lüftete den halblangen Schleier, hob ihren eigenen Becher und trank Anna zu.
    Statt einer Antwort drehte sie den Kopf zum Fenster, durch das ein Sonnenstrahl auf die Tischplatte fiel, und versank in Gedanken, bis jemand sie von der Seite

Weitere Kostenlose Bücher