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Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)

Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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Herrje, wie oft soll ich dir noch erklären, dass du alles an seinen Platz zu stellen hast, bevor du gehst? Schau dir dieses Durcheinander an! Schon wieder muss ich mein Werkzeug zusammensuchen. «
    Sebastian murmelte eine Entschuldigung. Dabei war er ganz sicher, alles ordentlich hinterlassen zu haben. Nachdenklich beobachtete er seinen Meister, der sich ohne ein weiteres Wort an die lange Werkbank setzte und einen gefüllten Becher vor sich abstellte. Spätestens am Nachmittag würden Stöckls Bewegungen unsicherer werden, auch suchte er den Bader seit einiger Zeit nicht mehr auf. Kriemhild musste dem verliebten Mann reichlich zugesetzt haben.
    Sebastian beugte sich wieder über den fein polierten Kamm, an dem er seit dem vorigen Tag arbeitete.
    » Wo ist meine dünne Feile, he? « , bellte Stöckl auf einmal.
    Der Meister erhob sich mit einem Ächzen und schritt durch den Raum. Vor dem großen Regal, in dem dicht an dicht Körbe standen, in denen sie das Werkzeug aufbewahrten, blieb er stehen – und fegte sie im nächsten Augenblick herunter. Es schepperte und klirrte. Mit großen Augen starrte Sebastian auf die Feilen, Rimpler, Bohrer sowie die aus Knochen gefertigten Würfel, die auf dem Boden verstreut lagen, teilweise zerbrochen oder gesplittert.
    » Such sie gefälligst! Und wehe dir, du hast sie verlegt … Dann gnade dir Gott! «
    » Aber Meister, ich habe Eure Feile gar nicht benutzt. Bestimmt nicht. «
    » Schaff hier Ordnung. Du wirst nicht eher gehen, bevor die Feile wieder aufgetaucht ist! «
    Tränen traten Sebastian in die Augen, als er nach dem Besen griff. Wenn Anna nur hier wäre, überlegte er, sie wüsste genau, wie sie Stöckl besänftigen könnte. Er biss die Zähne zusammen, hörte schließlich, wie die Tür geräuschvoll ins Schloss gezogen wurde und Stöckls Schritte auf der Gasse verhallten. Sorgfältig fegte er die Scherben auf. Nachdem er fertig war, durchsuchte er die Behältnisse gründlich und fand Stöckls Feile unter dessem Schemel. Sebastian wusste nicht, ob er darüber froh oder unglücklich sein sollte, denn er ahnte, der Meister würde ihm ohnehin die Schuld an der verlegten Feile zuweisen. Er ließ den Blick über den Inhalt der Körbe schweifen und seufzte. Der Beinschnitzer würde einiges an Werkzeug ersetzen müssen, was seine Laune gewiss nicht aufhellte.

KAPITEL 5
    V on besonderem Liebreiz war Marie nicht, das wusste sie selbst. Ihre Ohren standen etwas ab, das Kinn war fliehend. Deshalb hatten ihre Eltern es wohl auch nie geschafft, einen Gemahl für sie zu finden, bis sie vor zwei Jahren kurz nacheinander gestorben waren. Seitdem war sie auf sich gestellt. Die junge Frau lebte mehr schlecht als recht von dem, was die Kerle ihr zusteckten, für die sie in der kleinen Kammer, die sie mit einer anderen Hübschlerin bewohnte, die Beine breitmachte. Weil sie wusste, wie wichtig es war, sich sauber zu halten, suchte Marie mindestens zweimal die Woche eines der letzten Badehäuser im Süden der Stadt auf, die seit dem Ausbruch der Pestilenz noch nicht geschlossen worden waren . Manchmal traf sie dort auch auf Freier, die sie in das nicht weit entfernte Haus am Rossmarkt einlud.
    Sie bezahlte und betrat den Vorraum, in dem die Gäste ihre Kleidung ablegten. Das Glück war ihr hold, denn der Raum war leer und an den Haken hingen noch keine Kleider. Sie mochte es nicht, wenn zu viele Männer und Frauen im Wasser standen. Marie zog sich aus, griff nach einem der bereitliegenden Schwämme, betrat die Badestube mit den beiden zur Hälfte gefüllten Zubern aus dunklem Eichenholz und stieg in das Becken. Das Wasser reichte ihr bis zur Hüfte, und sie ging in die Hocke. Einen Augenblick verharrte sie und genoss das lauwarme Nass, das ihren wohlgeformten Körper umspielte, und wusch sich gründlich. Wie gut das tat.
    Die Tür öffnete sich. Hochgewachsen war der Mann, der hereinkam, und von kräftigem Körperbau. Ein Blick aus dunklen Augen traf sie. Er zögerte einen Moment, und sie warf ihm ein leichtes Lächeln zu. Der etwa Dreißigjährige stieg in den Zuber und tauchte kurz unter. Mit dem Schwamm fuhr er sich über die breite Brust und die muskulösen Arme. Er war recht ansehnlich, obwohl sich sein Haar schon lichtete und die Nase wie ein Haken gebogen war. Wie ein Kerl wirkte er, der eine Frau zu halten und zu nehmen wusste. Vielleicht hatte er ja Lust mitzukommen? Obgleich es ihr letztlich gleichgültig war, wie die Männer aussahen, die sie stießen, solange sie nur anständig

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