Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
Stimme berichtete sie, was sich zugetragen hatte.
Sie ballte die Hände zu Fäusten. » Ich habe doch nicht wochenlang überall nach ihm gesucht, nur um mich jetzt aus seinem Leben streichen zu lassen, als hätte es mich nie gegeben! « Den hervorgestoßenen Worten folgte ein noch derberer Fluch, der den Bruder zusammenfahren ließ. » Wenn Korbinian Dietl glaubt, er könne mich einfach so wegschicken, dann täuscht er sich ganz gewaltig. «
Ihren Worten ließ Anna in den folgenden Wochen Taten folgen. Während Sebastian sich rasch in der Buchdruckerei einlebte, fuhr sie weiterhin nach Heilsbrunn, wann immer Frau Dürer den Fuhrmann entbehren konnte und es ihr gestattete.
Bei ihrem nächsten Besuch war Korbinian ebenso abweisend, aber bald zog er es vor, ihre Anwesenheit ohne Protest hinzunehmen und sie zu ignorieren. Dann setzte sie sich auf eine Bank und sah ihm still bei der Gartenarbeit zu, oder sie half bei der Gemüseernte. Wenn jemand sie einlud, nahm sie auch an den Mahlzeiten teil und gesellte sich zu ihm. Manchmal, wenn Korbinian sich unbeobachtet fühlte, meinte sie, seinen zornigen Blick im Rücken zu spüren. Er hätte es wohl lieber gesehen, wenn sie für immer aus seinem Leben verschwunden wäre. Sein Verhalten reizte Anna zu einem grimmigen Lächeln. Mit dieser Reaktion lebte es sich weitaus besser, als mit Nichtachtung gestraft zu werden. War nicht seine Wut immerhin ein Zeichen dafür, dass sie ihm nicht gleichgültig war?
Wenn sie daheim grübelte und Zweifel an ihr zu nagen begannen, war sein Zorn ihr einziger Trost. Das geschah ihr recht! Korbinian hatte sich nichts außer ihrer Liebe gewünscht, stattdessen war sie viel zu lange einem Jugendtraum hinterhergejagt, in dem Martin die Hauptrolle gespielt hatte. Was blieb ihr also, als die Zähne zusammenzubeißen, Korbinians Abwehr zu ertragen und zu hoffen, dass sich irgendwann alles zum Besseren wendete? Darf sich ein Weib dem Geliebten überhaupt dermaßen anbiedern?, fragte eine andere Stimme in ihrem Inneren, die sie jedoch zu überhören versuchte. Wer, wenn nicht sie, könnte Korbinian davon überzeugen, wie sehr er geliebt und gebraucht wurde?
Bald zeigte ihre Hartnäckigkeit Wirkung – von Mal zu Mal sprachen seine Augen eine andere Sprache, wenn sie auf ihn zutrat. Ihr stockte der Atem, als er zum ersten Mal ihre Hand ergriff und sie knapp, aber höflich begrüßte.
Einmal überraschte sie Korbinian im Blumengarten des Klosters. Er schien tief in Gedanken versunken zu sein, den Blick auf einen unbestimmten Punkt gerichtet, und sie konnte sehen, wie es in ihm arbeitete. Anna setzte sich zu ihm und schwieg, mühsam um Geduld ringend.
» Sagt dir der Name Kilian etwas? « , fragte er nach einer Weile unvermittelt und wandte ihr sein Gesicht zu. » Dieser Name – er erinnert mich an etwas … Kennen wir jemanden, der so heißt? «
Sie starrte ihn an. Könnte sie ihn doch nur umarmen, um ihm zu zeigen, wie betroffen und gleichzeitig überglücklich seine Frage sie machte. Um ihn mit ihrer heftigen Reaktion nicht zu erschrecken, nahm sie einige tiefe Atemzüge, bevor sie sich ihm gewappnet fühlte. » Ja, mein Lieber, den kennen nicht nur wir, sondern alle Nürnberger! « Mit hastig hingeworfenen Worten berichtete sie Korbinian von Pankratius und der Bruderschaft, von seinen Verbrechen, der Verurteilung und davon, wie es den Männern gelungen war, zu fliehen.
» Geflohen « , wiederholte er tonlos. » Sie können also jederzeit nach Nürnberg zurückkehren. « Abermals versank er in Schweigen.
» Korbinian, bitte denk nach! « , unterbrach sie ihn schließlich, als sie es nicht mehr aushielt. » Es muss etwas zu bedeuten haben, dass du dich ausgerechnet an Kilian Pankratius erinnerst! Wenn er so sehr deine Gedanken beschäftigt, muss es eine Bedeutung haben, verstehst du denn nicht? « Sie rückte etwas näher und zwang ihm ihren Blick auf. » Entschuldige, wenn ich dich bedränge, aber es ist wichtig. Versprichst du mir, dass du versuchst, dich zu entsinnen? Bitte. «
Korbinians Miene wurde starr, doch er nickte.
» Danke « , antwortete sie und seufzte, als sie sich erhob. » Ich muss jetzt heim zu Lenchen. Mit meinen Gedanken werde ich die ganze Zeit bei dir sein. Bis bald. «
Er murmelte einen Gruß, und Anna spürte seinen Blick im Rücken, während sie den Klostergarten verließ und auf den Wagen zusteuerte, der sie wieder nach Nürnberg bringen würde.
Bei ihrem nächsten Besuch fand sie Korbinian auf seinem Lieblingsplatz
Weitere Kostenlose Bücher