Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
hierher, wenn ich nachdenken muss. «
Anna nahm all ihren Mut zusammen und räusperte sich. » Man hat mir berichtet, dass das Zittern deiner Glieder nachgelassen hat und du schöne Zeichnungen anfertigst. «
Korbinians Züge hellten sich für einen Moment auf. » Es klappt ganz gut. Ich dachte schon, ich könnte niemals mehr malen. « Noch immer mied er ihren Blick.
» Das freut mich sehr für dich. « Anna lehnte sich auf der Bank zurück. Sie hatte getan, was sie konnte. Nun war es an ihm, das Gespräch wieder aufzugreifen. Im Stillen hatte sie sich geschworen, ihn nicht mehr zu bedrängen.
» Du hast gesagt, du liebst mich. Ist das wirklich wahr? « , hörte sie Korbinian flüstern.
Anna hielt für einen Moment die Luft an. » Mehr als alles auf der Welt. Ohne dich ist mein Leben leer, Korbinian. «
Er suchte ihren Blick. » Während all der Zeit im Kloster habe ich mich gefühlt, als ob mir etwas Wichtiges fehlen würde. Ich vermochte nur nicht zu sagen, was. Jetzt endlich weiß ich: Ihr seid es, die ich vermisst habe. «
Sie starrte in seine aufgewühlten Züge und faltete die Hände im Schoß, um nicht der Versuchung zu erliegen, ihn an sich zu ziehen. Ihre Stimme klang hohl. » Wir dich auch. « Ihr Herz klopfte laut, so laut, dass sie meinte, es müsse in der stillen Kirche zu hören sein.
» Ich möchte nach Hause. Zu dir und zu Lenchen. Zurück in mein altes Leben. «
» Oh Korbinian! «
Anna wollte ihm die Arme um den Hals schlingen, um ihn zu küssen. Da fing sie den strafenden Blick eines Mönches auf, der soeben die Kirche betreten hatte, und hielt inne. Sie lächelte Korbinian unter Tränen an und verließ mit ihm das Gotteshaus.
KAPITEL 49
A nna machte sich auf den Weg nach Heilsbrunn. Zum letzten Mal, so hoffte sie, denn heute wollte sie Korbinian endlich nach Hause holen. Es war kurz vor Michaelis, dem nächsten Fest im kirchlichen Jahreslauf. Anders als sonst würde sie diese Nacht nicht im Gästehaus der Zisterzienser verbringen, sondern an Korbinians Seite in der Kammer seines Hauses. So schritt der Morgen dahin, während sich der Wagen der Abtei näherte, die Hans gegen Mittag zu erreichen hoffte.
Als die Septembersonne hoch am Himmel stand, bog der Wagen endlich in die Gasse ein, die auf das Klostertor zulief. Annas Hände waren klamm vor Aufregung. Wie oft war sie im Laufe der letzten Wochen durch dieses Tor gefahren?
Der Fuhrmann nickte dem Mönch zu. » Ihr braucht das Tor heute nicht zu öffnen. Ich warte draußen. «
» Wie du wünschst. «
Anna dankte ihm und strebte dem Haupthaus zu. Vor der Tür zum Privatgemach von Johannes Wenck blieb sie zögernd stehen und klopfte an das dunkle Holz. Ein Stuhl wurde zurückgeschoben, Schritte nahten, und der Klostervorsteher öffnete.
» Frau Dietl, kommt nur herein. «
» Wie geht es meinem Mann heute? «
» Sehr gut. Heute Morgen habe ich unseren Infirmarius nach Eurem Gatten sehen lassen. Bruder Antonius ist überaus zufrieden mit ihm. « Er wies zum Fenster hinaus. » Mir ist aufgefallen, dass der Fuhrmann heute nicht auf den Hof gefahren ist. Ihr habt also nicht vor, die Nacht in der Abtei zu verbringen? «
» Nein, ich möchte noch heute nach Nürnberg zurückkehren. «
» Gut. Euer Gatte dürfte sich im Refektorium aufhalten . Ich bringe Euch zu ihm. «
Im Speisesaal saßen Dutzende von Männern an langen Tischen über ihre Schüsseln gebeugt. Die tiefe, durchdringende Stimme eines einzelnen Mönches an der Stirnseite des Saales hallte durch den Raum. Der Mann stand auf einer Empore und las aus der Heiligen Schrift vor, unterbrochen nur vom Klappern der in die Suppenschüsseln eintauchenden Löffel. Fasziniert beobachtete Anna, wie sich die Männer mittels Zeichensprache verständigten.
Der Abt wies in Richtung eines der hohen, bogenförmigen Fenster, unter dem Korbinian auf einer Bank saß und den Löffel zum Mund führte. Just in diesem Moment hob er den Kopf, und ihre Blicke begegneten einander. Wie schon öfter, wenn sie ihm in den letzten Wochen in die Augen gesehen hatte, fühlte Anna Furcht aufsteigen vor dem, was vor ihnen lag. Würde Korbinian jemals wieder ganz er selbst sein, jener Mann, der er einmal gewesen war?
Der Vorleser stieg von der Empore herab, und die Männer beendeten ihre Mahlzeit. Während die letzten Mönche an ihr vorbei ins Freie traten, blieb Korbinian vor ihr stehen.
» Anna. « Sein Blick war offen. » Wie schön, dass du gekommen bist. «
Sie wollte seine Hand halten, besann sich
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