Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
und riss ihn an sich. » Sebastian! Endlich habe ich dich gefunden, dem Himmel sei Dank! «
» Anna, du bist hier? « , war alles, was er herausbrachte. Wieso war sie nicht im Kloster Heilig-Kreuz zu Regensburg?
» Ich lebe wieder in Nürnberg, Sebastian. Schon länger. «
» Wie hast du mich gefunden? «
Sie nahm sein Gesicht in beide Hände. » Vor zwei Tagen habe ich von Pfarrer Osiander gehört, dass bei einer Familie am Wollnertor seit einigen Tagen ein junger Mann lebt. Am liebsten wäre ich sofort vorbeigekommen, um nachzusehen, ob du es bist, musste aber zuvor nach Ansbach reisen. « Sie streichelte seine Wange. » Oh Sebastian, es kommt mir vor wie ein Wunder. Ich hatte fast schon die Hoffnung aufgegeben, dich wiederzufinden. Als ich heute aus Ansbach zurückkehrte, fuhren Pfarrer Osiander und ich sogleich zum Wollnertor. Ein Nachbar der Freislers sagte mir, dass du mit ihnen zur Abendmesse in die Sebalduskirche gegangen bist. «
Der Mann, der den Wagen gelenkt hatte, trat zu ihnen und stellte einen Tragekorb neben Anna ab. Darin lag ein schlafendes Kind. » Gott zum Gruß, ich vermute, Ihr seid Anna Dietls Bruder. «
» So ist es « , antwortete Sebastian. » Und Ihr seid …? «
» Andreas Osiander, der Pfarrer von St. Lorenz. Wir sind uns schon einmal begegnet. Ist Eure Verletzung gut verheilt? «
Sebastian ergriff seine Hand. »Danke, ja.«
» Pfarrer Osiander hat viel für mich getan « , erklärte Anna mit vor Erregung stockender Stimme.
» Ich lasse Euch jetzt allein mit Eurem Bruder « , lächelte Osiander. » Bis zur Waaggasse ist es ja nicht mehr weit. « Damit ging er zu seinem Wagen zurück.
Sebastian sah seine Schwester prüfend an. Wie schmal sie geworden war. Eine braune Haarsträhne löste sich und fiel ihr ins Gesicht, als Anna sich bewegte. Was war mit ihren schönen hellen Haaren geschehen? Plötzlich legte sich Traurigkeit über ihre Züge. Er trat auf sie zu, zog sie an sich.
» Ach Sebastian, wo bist du nur die ganze Zeit gewesen? « , murmelte sie an seinem Ohr.
Stumm hielt er sie in seinen Armen, unfähig, ihre Frage zu beantworten. Alles kam ihm vor wie im Traum. Hatte er wirklich seine geliebte Schwester vor sich, oder würde er gleich aus einem Wunschtraum erwachen?
Sie löste sich von ihm. » Diese Freislers, wieso wohnst du bei ihnen? «
» Das lässt sich nicht in drei Sätzen erzählen, Anna. «
» Wir haben alle Zeit der Welt, Sebastian. Aber nun lass uns zu den Leuten gehen und deine Sachen holen. «
» Und dann? Du sagtest, du lebst in Nürnberg. «
» Ach, auch ich habe dir viel zu erzählen. Ich wohne in der Waaggasse, mit meiner Tochter. «
» Das Kind ist deine Tochter? «
» Ich will dir alles erklären, aber als Erstes müssen wir die Familie Freisler am Wollnertor besuchen. «
Sie eilten durch die Gassen, über die sich eine weiße Decke gelegt hatte. Wenig später standen sie vor dem Haus des Steinmetzes. » Warte einen Moment. « Sebastian lief auf den Hof, hob einen der Steine an, unter dem Herr Freisler stets einen Hausschlüssel versteckte, und kehrte zu Anna zurück. Er steckte ihn ins Schloss, da öffnete sich die Tür und Michael Freisler stand vor ihm.
» Ihr seid schon daheim? « , entfuhr es Sebastian überrascht.
» Im Bratwurstglöcklein gab es keinen freien Tisch mehr, deshalb sind wir nach Hause gegangen. Komm herein. «
» Herr Freisler, ich bin hier, um mich zu verabschieden und meine Sachen zu holen. «
» Warum denn das? Gefällt es dir etwa nicht bei uns? «
» Oh doch. Aber ich werde zu meiner Schwester ziehen. «
» Zu deiner Schwester? Sag, ihr habt euch wiedergefunden? Das freut mich für euch! «
» Ich kann es selbst kaum fassen und vermag Euch gar nicht zu sagen, wie glücklich ich bin. « Sebastian streckte die Hand aus. » Ihr wart sehr gut zu mir, möge Gott es Euch vergelten. «
Rasch lief er in die kleine Kammer hinauf und holte sein Bündel mit den wenigen Habseligkeiten.
Dann ging er in die Küche, in der Barbara und ihre Mutter saßen und ihn mit großen Augen ansahen.
» Du gehst? « , brachte Barbara hervor.
Sebastian berichtete von der überraschenden Begegnung mit Anna. » Meine Schwester nimmt mich in ihr Haus auf « , erklärte er, » sie wartet draußen. «
Barbara folgte ihm auf den Flur. » Ich freue mich ja wirklich für dich, nur wann sehe ich dich wieder? «
» Ich komme dich in den nächsten Tagen besuchen « , versprach er, strich ihr über das glänzende Haar und trat ins Freie.
Seine
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