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Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)

Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerit Bertram
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Gesicht.
    » Ihr habt meinem Gatten den Auftrag erteilt, Euren Sohn zu porträtieren. Vor gut zwei Wochen muss es gewesen sein. «
    » Richtig, doch ich weiß nicht, was … «
    » Ich möchte wissen, ob mein Gatte bei Euch war … ich meine, hat er das Bild gemalt? «
    » Aber ja. Ich verstehe nicht … «
    » Frau Dietls Mann ist verstorben « , ließ sich der Pfarrer vernehmen. » Wenn er Euren Auftrag ausgeführt hat, muss er auf der Rückreise ums Leben gekommen sein. «
    Daraufhin erklärte er Brandl, was geschehen war. Dessen Züge spiegelten das Entsetzen wider, das den Mann ob des Pfarrers Schilderung erfüllte.
    Als dieser geendet hatte, öffnete Brandl die Haustür weit und bat Osiander und Anna, einzutreten. Sie folgten ihm durch den Flur in die großzügige Stube. Annas Blick wurde von einem Gemälde an der gegenüberliegenden Wand angezogen, das einen aufgeweckt wirkenden, dunkelhaarigen Jungen von etwa fünf Jahren darstellte. Es hatte etwa die Größe eines der in Leder gebundenen Bücher, die Korbinian kunstvoll bemalt hatte, und das man gerade noch unter dem Arm transportieren konnte. Zögernd trat sie näher.
    » Ja, das ist es « , entgegnete der Hausherr. » Seht es Euch nur an. «
    Anna betrachtete das Porträt eingehend. Die Kombinationen der Farben, die Art, wie Licht und Schatten auf das Haar des pausbackigen Kindes fielen, sowie die Pinselführung – all das trug zweifellos Korbinians Handschrift. Auch ohne die vertrauten, ineinander verschlungenen Initialen am unteren Rand des Gemäldes hätte sie es unter Hunderten anderer als sein Werk erkannt. Ihre Sicht verschwamm, und sie schloss gequält die Augen, bis sie glaubte, die Gegenwart wieder ertragen zu können. Sacht berührte sie das Bild und zog die Hand zurück. Die Farbe war noch nicht ganz getrocknet.
    Beim Malen hatte Korbinian stets weit mehr als nur reine Äußerlichkeiten dargestellt. Seine Bilder waren für sie wie eine Offenbarung, denn sie fingen jede Eigenart und Stimmung auf und zeugten von seiner Liebe zu allem Lebendigen. Diese Gedanken überraschten Anna selbst. Nie hätte sie etwas derart Tiefsinniges von Korbinian erwartet, als sie ihn kennenlernte. Für sie war er ein freundlicher Mensch und ein Künstler gewesen, meist geistesabwesend und wortkarg, der seine Tochter abgöttisch liebte. Wenn Ihr etwas zeichnen wollt, solltet Ihr es nicht nur betrachten, sondern mit all Euren Sinnen beobachten und empfinden. Sie konnte förmlich seine Stimme hören, die eine Erinnerung an jenen Tag in ihr heraufbeschwor, als sie nach der ersten Nacht im Hause des Buchmalers seine Werkstatt aufgesucht hatte, um ihm bei der Arbeit zuzusehen.
    Was mochte Korbinian gedacht und gesehen haben, als er den hübschen Jungen mit der geraden Nase und den lustigen Grübchen am Kinn gemalt hatte? Ob ihr Gemahl sich auch einen Sohn wie ihn gewünscht hatte? Anna strich Lenchen, die ihre Finger nach dem Bild ausstreckte, über den Kopf und wich einen Schritt zurück.
    » Seid Ihr zufrieden, Herr Brandl? « , brachte Anna mühsam hervor. » Ich meine, ist es Eurem Sohn …? «
    » Ähnlich, meint Ihr? Ja, Euer Gatte hat meinen Johannes vorzüglich getroffen. «
    Wovon sie sich im nächsten Moment selbst überzeugen konnte, denn eine zweite Tür wurde geöffnet, und eine Frau mit einem Jungen an der Hand trat ein. Anna schüttelte ungläubig den Kopf, ihr war, als wäre das Kind auf dem Gemälde lebendig geworden. Selbst der Schalk war unverkennbar derselbe. Korbinian hatte ein untrügliches Auge für Details besessen, aber niemals zuvor hatte Anna dies so deutlich ausmachen können wie bei diesem Porträt.
    Tobias Brandl, dem ihre Verblüffung offenbar nicht entgangen war, lachte herzhaft. Er winkte die beiden zu sich heran. Der Junge machte einen noch etwas ungelenken Diener und schielte zur Tür.
    » Geh nur, Bub, aber bleib in der Nähe, hörst du? « , mahnte der Hausherr.
    Das ließ sich das Kind nicht zweimal sagen und stürmte hinaus. Anna lächelte, und auch Osiander, der das Geschehen verfolgt hatte, schmunzelte.
    Der Pfarrer stupste Lenchen an der Nase und sah ihre Mutter prüfend an. » Ihr seht aus, als könntet Ihr ein wenig frische Luft gebrauchen. «
    » Das ist wahr, wir sollten gehen. « Anna wandte sich den Brandls zu. » Ich danke Euch von Herzen, dass ich das Bild meines Mannes betrachten durfte. « Sie brach ab und schluckte die aufsteigenden Tränen herunter. » Wir machen uns jetzt besser auf den Rückweg, damit wir Nürnberg vor

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