Das Lied vom Schwarzen Tod: Historischer Roman (German Edition)
Schwester blickte ihm mit einem strahlenden Lächeln entgegen.
Anna öffnete die Haustür und führte Sebastian in die Küche, wo ihr Bruder sein Gepäck ablegte. Sie setzte Lenchen, die erwacht war, auf eine Decke und gab ihr einen kleinen Stoffball zum Spielen. Bis ins Innerste berührt drehte sie sich um und ergriff seine Hände.
» Willkommen daheim, Sebastian. «
Der warme, feste Druck seiner Finger schenkte ihr die Gewissheit, dass der Bruder tatsächlich vor ihr stand. Mit Bedauern löste sie sich von ihm. Magdalena lag auf dem Bauch, strampelte mit den Beinen und zog einen Flunsch.
» Gleich, mein Schätzchen. Warte einen Moment, damit ich uns mehr Licht machen kann. « Rasch entzündete Anna einige Öllampen und stellte eine auf den Tisch. » Setz dich, Brüderchen, ich heize uns den Ofen an. Es ist kalt heute. «
Sebastian tat wie ihm geheißen. » Hübsch hast du es hier « , erklärte er nach einer Weile. » Wem gehört das Haus denn? «
Anna, die eben im Begriff war, ein kleines Stück Holz in das schwach glühende Feuer im Ofen zu legen, hielt in der Bewegung inne. » Dies ist das Haus meines verstorbenen Mannes Korbinian. « Obwohl sie sich bemühte, ihre Stimme gefasst klingen zu lassen, zitterte diese verräterisch.
» Dein … verstorbener Mann? « Sebastian starrte sie entgeistert an. » Was ist mit Martin? Warum hast du ihn nicht …? «
» Ich möchte Martin nie wiedersehen, hörst du? Er ist mit einer anderen Frau verheiratet « , unterbrach sie ihn.
» Mein Gott, ich weiß offenbar so vieles nicht, oder? « Er fuhr von seinem Platz hoch, trat auf sie zu und umarmte sie.
Anna schmiegte sich an ihn. » So lange ist es her seit diesem verfluchten Morgen, Sebastian. « Sie wischte sich über die Wangen. » Warum nur warst du so lange fort? Wo hast du die ganze Zeit gesteckt? «
» Wie gesagt, das ist eine lange Geschichte, Anna « , erwiderte er gepresst. » Aber willst du mir nicht erst erzählen, was geschehen ist? «
Sie ging zu der Decke hinüber und reichte Lenchen ihre Puppe, in der Hoffnung, sie damit besänftigen zu können. Doch das Kind warf das Spielzeug fort und fing an zu greinen.
» Weißt du was? Ich mache uns Abendessen. Lenchen hat Hunger und ist müde. «
Sebastian grinste übers ganze Gesicht und schlug sich vielsagend auf den flachen Bauch. » Einverstanden. «
So kam es, dass sie eine gute Stunde später, satt und zufrieden nach einer einfachen Mahlzeit, in der Stube saßen und an einem Becher Wacholderbier nippten. Da Anna spürte, wie die Fragen in Sebastian brannten, begann sie schließlich zu erzählen. Von der Zeit im Kloster, ihren Hoffnungen und Ängsten, ihrer Flucht. Bis hin zu dem Moment, als sie erfahren hatte, dass Martin verheiratet war.
» Er hätte mich im Kloster besuchen und es mir sagen müssen, Sebastian. Stattdessen habe ich es durch Herrn Osiander erfahren. Eben aus diesem Grund lege ich keinen Wert mehr darauf, ihm noch einmal zu begegnen, verstehst du? «
Die Miene ihres Bruders verfinsterte sich. » Wie konnte er sich nur so schäbig verhalten? Das hätte ich niemals von ihm erwartet. Bist du dir sicher, dass du ihn nie wieder sehen willst? Immerhin sind wir eine Familie. «
» Ich bin mir sicher. Soll er glücklich werden mit seiner Therese. Ich habe es längst überwunden, denn ich habe Korbinian getroffen. « Sie fuhr mit ihrem Bericht fort. » Ein besseres Versteck als bei ihm hätte ich nicht finden können. « Bei diesen Worten verspürte Anna einen Stich im Herzen. Gedankenverloren blickte sie in ihren Becher und wartete, bis der Sturm in ihrem Inneren abebbte. » Ich hatte das Gefühl, keinen Boden mehr unter den Füßen zu haben, Sebastian. Plötzlich war da dieser Mann, der mir vertraute und mir ein Leben in Sicherheit bot. « Ganz deutlich taten sich die Bilder aus der Erinnerung vor ihr auf. » Am Ende nahm ich Korbinians Antrag an, und glaube mir, ich habe es nicht bereut. Wenn uns auch nicht viel Zeit miteinander vergönnt war. «
Sebastian schwieg betreten. Das Licht der Öllampen warf helle Schimmer auf sein nachdenkliches Gesicht. » Wie ist dein Mann gestorben? « , fragte er nach kurzem Zögern.
Anna holte tief Luft. Ein Beben fuhr durch ihren Leib, aber dann erzählte sie ihm auch den Rest der Geschichte. Nachdem sie geendet hatte, war in der Stube nur der Wind zu hören, der an den Fensterläden rüttelte wie ein ungnädiger Geselle, der Einlass begehrte. Sie war dankbar um die eintretende Stille. So bot sich die
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