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Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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kleiner Blitz. Mehr aus Ärger, denn den Schmerz war er gewohnt, stöhnte Robert auf. Coldlake, der in der Schiebetür verharrt hatte, setzte sich ruckartig in Bewegung. Ein seltsamer Ausdruck in seinem Gesicht zeigte Robert, dass diese Tat ehrlich gemeint war. Ein Impuls. Er wollte wirklich helfen, hatte den Agenten in sich für Sekunden vergessen. Robert ließ ihn gewähren. Coldlake hob das Buch auf, ein wenig zu langsam - der Agent war wieder da!-, steckte das Lesezeichen zurück in die aufgeschlagene Seite, drehte das Buch und gab es dem Lord wieder in die wartende Hand. Jetzt kannte er sicherlich den Titel und die Seitenzahl. Er würde es schon bald in einer Bibliothek in Hammaburg nachschlagen, da war Robert sich sicher.
    »Sehr schön. Danke, Coldlake.« Für einen kurzen Moment glaubte Robert, Erstaunen in den Augen des kleinen Schotten zu sehen. Weil er seinen Namen behalten hatte? Weil er »Danke« gesagt hatte?
    »Immer zu Diensten, Sir.« Coldlake deutete gar eine kleine Verbeugung an. Keine militärische, Robert wurde unsicher. Wer war dieser Mann?
    »Sie sagten etwas von einem Imbiss und von den Pfeilern der Könige. Wie wäre es mit beidem?« Robert legte das Buch auf die Sofakante, sah unauffällig auf seinen linken Arm. Genau 48 Grad südsüdöstlich des ersten Buchstabens, dem A, ein weiterer Blick fiel auf das alte Lesezeichen.
     
    Der Speisewagon war leer. Dezente, pulverbetriebene Lampen sandten geisterhaftes Licht durch gefärbte Schirme auf leere, aber dennoch mit den in königlichem Rot und Gold gehaltenen Deckchen geschmückte Tische. Das Dach war lichtdurchlässig gemacht worden, ein wolkendurchwirkter Sternenhimmel glänzte darin wie der verlorene Ausschnitt eines imposanten Gemäldes.
    Robert setzte sich an einen beliebigen Tisch am Fenster. Er wollte das Meer sehen, welches unermüdlich, aber Dank seiner Magie so nutzlos, an den Pfeilern dieser monumentalen Brücke zerschellte wie ein zahnloser Fluch.
    Es war Intuition gewesen und diese hatte sein ganzes Leben verändert.
    ›Was tun Sie, um das Holz zu schützen, junger Lord?‹
    ›Ich mache die Flamme kalt. ‹
    Die Stille, die danach folgte, wog schwerer als jene Tage, an denen seine Mutter mit piepsender Freude in der Stimme rufend: »Euer Vater kommt heim!« durch die endlosen Flure von Humberstone gewandelt war. Niemand freute sich auf Vater. Niemand wollte, dass er heimkam! Er brachte nur die Stürme mit, die sich sonst auf dem weiten Ozean austobten.
    Der Kellner kam und servierte. Ein einfacher Salat mit geviertelten Orangenscheiben. Robert sah aus dem Fenster. Der zweite Gang war gedünstetes Gemüse mit in Olivenöl geschwenkten Kartoffeln. Robert stocherte darin herum. Der dritte Teller trug einen toten Fisch, dessen glasige Augen noch immer in eine längst verlorene Richtung starrten.
    »Nehmen Sie das wieder mit, sofort!«
    Der Kellner wirkte verunsichert und seine abrupte Verbeugung wirkte linkisch. Seine makellosen Hände griffen nach dem Teller. »Wenn Sie meinen, Sir?«
     »Ja! Ich meine, und zwar zutiefst!« ›Lass niemanden in dein Herz sehen, sie werden dich nur bewerten! Denn sie werden nichts davon verstehen!‹  So hatte es ihm Opa Lawrence eingeschärft.
    Der Mann schien ehrlich verstört, duckte sich beinahe unter den Worten. Namen konnten lange, bedeutungsvolle Schatten werfen, oder sehr kurze. Wie Ketten.
    Robert sah ärgerlich dem Kellner nach, nahm das Glas Weißwein und blickte wieder aus dem Fenster hinaus auf die wilde, dunkle Nordsee.
    Er hatte damals nie auch nur einen Gedanken an das Holz verschwendet. ›Ich mache die Flamme kalt!‹ Es war so einfach gewesen. Nur dieser eine Gedanke, versteckt hinter einem Stück Holz. ›Und sieh nur, was aus deinem Gedanken entstanden ist. Die längste, gewaltigste Brücke, die je von Menschenhand erschaffen wurde.‹ Ja, auch dieses den stetigen Wogen trotzende Bauwerk warf bereits einen Schatten auf sein Leben. Wie sehr, das hatte er noch nicht herausgefunden. Doch allein die Tatsache, dass er in einem Panzer-Zug der Königin saß, mit einem Agenten der Königin, auf dem Weg in die meist gefürchteten Kriegswerften des gesamten nordischen Feuerbundes, sollte ihn Vorsicht walten lassen. Doch seltsamerweise kümmerte ihn das nur wenig. Er würde für lange Zeit fort von der bedrückenden Enge auf Humberstone Castle sein, weit weg von den nassen Schatten, die sein Vater dorthin selbst aus seinem Grab noch sandte. Wenn Robert es recht bedachte, dann bestand sein

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