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Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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Schwedenviertel. Diese hatten zu den ersten Siedlern gehört, die in Nordamerika vor allen anderen ein neues Leben beginnen wollten. Sie mochten Küsten und Flüsse, also hatten sie den Platz für annehmbar befunden und sich hier niedergelassen.
     
    Nathaniel und Abhaya bogen ab, lenkten ihre müden Knochen auf den Tree Market Place, wo eine fünf Meter hohe, hölzerne Statue des gefürchteten Gottes Odin aus der Mitte der Pflastersteine ragte, einen Speer in der einen, den verzierten Schild in der anderen Faust. Das Holz glatt geschliffen von tausenden von Berührungen und Segensbitten. Hier in der neuen Welt hatte jeder auch seinen Glauben mit im Gepäck behabt. Bis auf ein paar mit Fäusten ausgetragene Meinungsverschiedenheiten, ließ man sich gegenseitig damit glücklich werden.
    Ihre Unterhaltung war verebbt, Nathaniel überlegte ohnehin fieberhaft, wie er den unangemeldeten Besuch erklären sollte, also war er recht dankbar für die Stille zwischen ihnen. Der Territorie blickte sich um, aber keine Regung verriet etwas darüber, was in ihm vorgehen mochte, wenn Sturmläden laut zugeschlagen wurden, Leute so offensichtlich die Straßenseite wechselten oder ganz unverhohlen getuschelt wurde, während Kinder, wie es ihre Art war, mit dem Finger auf sie deuteten. Nathaniel war froh darüber, dass in seinem Viertel die Dinge anders waren. Die Schweden und Norweger hatten zwar ebenfalls an den Siedlerkriegen teilgenommen, aber sie hatten auch eine recht unübliche Vorstellung von Respekt und Kraft, die sie geradezu verehrten. Wenn sie besiegt wurden, dann war es eben so, kein Grund den Gegner deswegen bis in alle Zeiten zu hassen. Handschlag, ordentlich Met in die Kehlen, ein knuspriges Stück Fleisch, grölender Gesang und die Angelegenheit war vergessen.
    Er zupfte am Ärmel des Ironworkers, als sie die Windy Road erreichten. Dort in Nummer 17 wartete seine Mutter, dort war sein Heim und für einen Moment hatte er eine Vision: Er sah Flammen, die all das verschlangen, was ihm Sicherheit war, schreiende Menschen, mit denen er aufgewachsen war. In der Mitte der Straße wölbten sich vor Hitze berstende Steine, über der Stadt hing ein rotorange glühender Nachthimmel. Die Welt, der er vertraut hatte, löste sich auf, ergab sich der Gewalt von etwas Stärkerem. Verbrannte einfach, ohne einen Seufzer der Erinnerung, als wäre es nur ein weiterer Atemzug der Geschichte. Unwillkürlich griff er in die Finger von Abhaya und drückte sie so fest er nur konnte. 
    Der Riese blieb abrupt stehen, blickte ruhig hinunter auf Nathaniel. Seine dunklen Augen waren voller Wald und Regen.
    »Alles in Ordnung mit dir?« Nathaniel ließ die große, schwielige Hand los, erschrocken über sich selbst. Er räusperte sich laut. ›Heb´ die verdammten Mundwinkel an, du kleiner, nutzloser Vogel.‹ Dann nickte er entschlossen, aber es war mehr ein verwirrtes Nicken.
    »Ich, nein, alles gut!« Er räusperte sich erneut. »Da sind wir schon, das ist unser Haus ... oder unser kleiner Felsvorsprung, wie meine Mutter es nennt.«
    Die gesamte ziemlich schmale Straße wurde von langhalsigen Giebeln überragt, die mit ihren geschnitzten Tierköpfen auf die Türen unter ihnen hinunter blickten. Da waren die Schädel von Elchen, Pferden, Bären, Rentieren und auch ein paar Fabelwesen mit wunderlich gewundenen Hörnern, allesamt schrecklich anzusehen, aber recht hilfreich, wenn man die eigene Hausnummer vergessen hatte. Irgendwie wartete man darauf, gleich ein Langboot auf Kiel zu erblicken, doch die lagen unten im Hafen, denn die meisten Schweden hier weigerten sich hartnäckig, die aus Eisen und mit Pulver oder Dampf betriebenen Schiffe zu benutzen. Dennoch hatten sie als Fischer wesentlich mehr Erfolg und brachten die besten Fänge wieder an Land, was regelmäßig zu wüsten Schlägereien in den Hafenkneipen führte.
    Es begann zu nieseln. Nathaniel reckte seine Locken in die feinen Tropfen, damit die Bilder der Flammen erloschen. Ferner Donner und Wetterleuchten grollten zwischen den Wolken. Er blickte auf, das Gewitter war auf der Seeseite.
    Der Kopf eines lange verwitterten Keilers mit bösen Hauern ragte über ihnen auf, als Nathaniel an das Holz klopfte und »Ich bin´s« dabei rief.
    Die obere aus zwei Hälften bestehende Tür wurde geöffnet, als hätte jemand darauf gewartet, schnell, in einem Zug. Hellblonde Haare wallten in das spärliche, regnerische Licht, wichen misstrauisch zurück.    
    »Ich habe einen Freund mitgebracht!«

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