Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
Vom Netzwerk:
Nathaniel sagte es wie eine erhobene weiße Flagge. Er hielt sie bis über seine Schultern.
    »Das sehe ich!» Ihr Mund blieb abweisend, musternd, dennoch schob sie den Riegel für die untere Tür beiseite und machte ihnen auf. Abhaya musste sich ducken, damit er sich nicht den Schädel anstieß. Vielleicht war es auch besser für die Tür gewesen, schwer zu sagen. 
    Nach nur zwei Schritten stand man im unteren Wohn-bereich, der nur aus einer schmalen Küche bestand. Die ersten Siedler hatten ihre Häuser nicht sehr breit, dafür aber recht hoch gebaut. Drei Stockwerke gab es für die Ballads hier, die man über enge, an der Wand verlaufende, hölzerne Stiegen erreichte. Das Haus selbst war abwechselnd aus einer Reihe groben Felses gemauert und dann wieder mit mannsdicken Holzbalken gestützt. Die Fenster, wenn man sie denn so nennen wollte, waren hoch und ebenfalls schmal, mit dicken, festen Sturmläden davor. Nathaniel fand, dass sie aber eher wie Schießscharten wirkten.
    Ein grober, großer Tisch beherrschte die Küche, der Herd wirkte bald zart, unter der hohen Decke hingen Hemden und Hosen von Nathaniel zum Trocknen, ebenso wie Kräuter und andere Gegenstände. Seine Mutter hatte die Hände hinter dem Rücken gefaltet, studierte den Territorie so intensiv, dass es Nathaniel unangenehm war.
    »Darf ich dir vorstellen, Mom, das ist Abhaya. Er arbeitet in derselben Schicht wie ich. Er ist einer der Skywalker. - Abhaya, das ist meine Mutter Megan Ballad.« Er kam sich wie ein Diplomat vor, in der eigenen Küche, so was. Derart reserviert hatte er seine Mom noch nicht erlebt. Als sie die ausgestreckte Hand des Riesen anstarrte, die voller Narben und Schwielen war, da zuckte ein Lächeln, so kurz wie eine Windböe, über ihre Lippen. Zögerlich holte sie ihre rechte Hand hinter dem Rücken hervor, und so lag ihre blasse Hand wie eine zierliche Mondsichel in der Faust der Nacht.
    »Schön, Sie kennenzulernen Ma´am.«, brummte Abhaya verlegen, gab ihre Hand vorsichtig wieder frei.
    »Ganz meinerseits, Mr Abhaya.«
    »Nur Abhaya bitte, Ma´am.« Sie nickte. Das Eis schien gebrochen.
     
    Der Lachs war fantastisch, niemand machte ihn so gut wie seine Mutter. Dazu gab es Gemüse und frisches Brot. Die Unterhaltung allerdings bestritt zum größten Teil Nathaniel selbst. Er hätte auch Selbstgespräche führen können, so sparsam waren die beiden mit ihren Worten. Vielleicht glaubte seine Mutter, so wie viele andere es auch taten, dass der Territorie möglicherweise doch ein Zauberer sei, obwohl die Homeland Guards jeden überprüften, der in der Stadt leben und arbeiten wollte. Andererseits hatte New York trotz der Stadtmauer so viele Schlupflöcher, wie der Bau eines ziemlich schlitzohrigen Kaninchens. Dennoch, Nathaniel hatte schon gesehen, wie Abhaya das Identifikationsmedaillon vorgezeigt hatte.
    Einige Öllampen erhellten den Tisch. Mittlerweile stocherte Nathaniel lustlos auf dem Teller herum. Als seine Mutter ihm deswegen einen tadelnden Blich zuwarf, da fauchte er sie stumm an: ›Tu´ mal was! Sei nicht so unhöflich! Was ist denn nur los mit dir?‹
    Selbst beim Essen hielt sie die eine Hand immer unter dem Tisch versteckt und die andere, die sie nun mal brauchte, um nicht zu verhungern, hielt sie so geschickt, dass man die rote, rissige Haut kaum sehen konnte. Warum schämte sie sich so sehr dafür? Während Nathaniel noch vor sich hinbrütete, wie er diesen Abend noch retten konnte, platze Abhayas tiefe Stimme in die Stille wie ein unheimlicher Fremder in eine Bar, so wie es in den Filmen der Lichtspieltheater manchmal war. Plötzlich erstarrten alle, die Gabel seiner Mutter verharrte mitten auf dem Weg zu ihrem Mund. Es hätte nur noch der Klavierspieler gefehlt, der erschrocken mit dem Geklimper aufhörte.
    »Meine Großmutter erzählte mir, dass damals, als der Krieg immer wütender wurde, die Siedlersoldaten vielen gefangenen Kriegern die Hände abschlugen, damit sie keine Zauber mehr zeichnen konnten. Darunter waren auch Frauen und Kinder.« Dann hielt er abrupt inne, als hätte er mit der völlig falschen Geschichte angefangen. »Ich … ich meine, ich könnte Ihnen vielleicht eine Salbe machen, Ma´am.« Nathaniels Mutter hatte entsetzt die Hand vor den Mund gelegt, achtete nicht darauf, dass sie jetzt jeder sehen konnte.
    »Bei den Göttern«, flüsterte sie durch ihre Finger, stand auf und ging durch die Hintertür in den kleinen Garten, machte die Tür leise zu und ließ völlige Stille

Weitere Kostenlose Bücher