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Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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langsam für die Bewegung, aber er öffnete sein Auge und seine Strahler erfassten sie. A konnte eben noch sehen, wie eine schmutzige Hand aus dem Lichtkegel entwich. Ein paar schnelle Schritte. Rückwärts, unbeholfen. Dann war plötzlich der ganze Raum in Licht getaucht, es kam aus dem Glas. Und da stand er, auf einem seiner dreckigen Nägel kauend, erwischt mit hektischen Flecken im verschwitzten Gesicht - Fingermann.
    Anevay sah ihn nur an, strich das Nachthemd herunter, stand auf, machte sich groß. Er wich zurück. Neben ihm lag ein Bündel sauber gefalteter, grauer Kleidung. Er kickte es mit einem Tritt zu ihr hinüber.
    »Das sollst du anziehen.« Halb Bitte, halb Befehl. Feinde! Aber A erwiderte nichts. Kein Fauchen, keine Drohung, sie hielt nur seinem Blick stand. Das war wichtig. Er ging rückwärts bis zur Wand, als hätte sie hier irgendetwas, das sie ihm in den Rücken stechen könnte - schön wäre das gewesen, aber… .
    Dann glitt ein Teil des schwarzen Glases einfach zur Seite, er schlüpfe mit einem letzten frechen Grinsen hindurch, dann wurde die Wand wieder geschlossen.
    A nahm die Kleidung auf, nicht ohne daran denken zu müssen, dass dieser schmierige Typ sie in den Händen gehalten hatte. Es war ein eng geschnittenes graues Hemd und eine weite graue Hose, weder Zugband noch Gürtel. Dazwischen lag ein Paar graue Schuhe, ohne Schnürsenkel, ohne Nähte, die man nur überstülpen konnte. Was dachten die, würde sie damit machen? Eine Wurfschlinge bauen? Eine Stichwaffe flechten? Anevay musste lächeln. Noch mehr Stolz.
    Das Hemd saß wie von einem Blinden abgemessen, es zwickte unter den Achseln, spannte an den Schultern, war zu kurz, ihr Bauchnabel lugte darunter hervor. Die Hose wiederum musste sie mit einer Hand festhalten, sollte sie nicht bis zu den Knien rutschen. 
    Sie stand da wie ein Coyote in einem Regenschauer. Als sie wieder aufschaute, stand Mrs Redbliss in der Tür. Sie musterte Anevay, nickte kurz und knapp. 
    »Würdest du bitte mit mir kommen!« Das war ein Befehl! Ihr Blick war neutral. Der Stolz bröckelte bereits. ›Mach´ dich jetzt bloß nicht aus dem Staub‹, knurrte sie ihn innerlich an. A schlurfte hinter der grauen Dame her, denn mehr war mit diesen Schuhen nicht drin.
    Draußen empfing sie ein hell erleuchteter Gang aus Glas.  Instinktiv hielt sie die Hand vor die Augen, die Hose ging talwärts, an den Oberschenkeln erwischte A sie gerade noch. Ein Kichern hinter ihr. Sie warf einen Blick über die Schulter. Jagor stand da, grinste. A folgte weiter Mrs Redbliss, sie wollte dem Kerl nicht die Genugtuung geben, dass sie auf ihn reagierte. Irgendwann blieb die graue Dame stehen, eine weitere Tür öffnete sich lautlos, Jagor schubste sie durch den Eingang und A blieb der Mund offen stehen. Ihr Stolz ging flüchten und ließ nur noch blanke Angst zurück. Der Raum war aus weißem Glas und er stand voll mit Maschinen. Kupferne Röhren, wie dutzende schlängelnde Schlangen, Glaskolben, in denen Flüssigkeiten unheilvoll schimmerten, hölzerne Stühle, die mit großen bronzenen Hauben überdacht waren. Anevay hatte sie nur als Zeichnungen in einigen Büchern gesehen. Ihr Vater hatte sie davor gewarnt, ihnen jemals zu nahe zu kommen. Es waren die Maschinen der heiligen römischen Inquisition.
     

Der Herr der Nieten
     
    Eine starke Böe zerrte an seinen dunkelblonden Locken, doch sie entlockte Nathaniel Birdy Ballad nur ein vergnügtes Lachen, das er dem Wind hinzufügte. Er stand auf einem zwanzig Zentimeter breiten Eisenträger, aß ein Gurkensandwich und wirkte völlig zufrieden mit sich und der Welt. Er war schlank, geschmeidige fünfzehn, bald sechzehn Jahre alt und ein Nietenläufer.
    Mit einem zufriedenen Seufzer blickte er auf die vierzig Stockwerke unter ihm liegenden Straßen von New York. Aus einem Land kommend, das nicht einmal richtige Berge sein eigen nannte, war Nathaniel nie höher als auf das Dach der Hütte seiner Mutter geklettert, dort unten in den Slums, wo alle Bauwerke am Boden kauerten. Doch anscheinend wollte irgendetwas oder irgendjemand ihn hier oben haben, sonst würde er nicht wie ein junges Vögelchen über diese Träger flitzen und die Eimer mit neuen, frischen, noch rot glühenden Nieten an die Arbeiter verteilen, die sie dann in die Träger hämmerten, immer der Sonne entgegen.
    Seine Mutter wollte nicht, dass er auf diese Weise sein Leben riskierte, wobei er sich fragte, welche Weise denn die richtige sei, dies zu tun. Doch sie

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