Das Lied von Eis und Feuer 02 - Das Erbe von Winterfell
Großmaester Pycelle.
»Ach, armes, trauriges Ding«, seufzte Varys. »Sie ist noch ein Kind, Mylords, sie weiß nicht, worum sie bittet.«
Sansa hatte nur Augen für Joffrey. Er muss mich anhören, er muss, dachte sie. Der König rutschte auf seinem Sitz herum. »Lasst sie sprechen«, befahl er. »Ich will hören, was sie zu sagen hat.«
»Danke, Majestät.« Sansa lächelte, scheu und leise, nur für ihn. Er hörte sie an. Sie wusste, dass er es tun würde.
»Verrat ist ein schädlich Unkraut«, erklärte Pycelle feierlich. »Es muss gejätet werden, mit Wurzel und Stamm und Saat, wenn nicht neuerlich Verräter überall am Wegesrand sprießen sollen.«
»Streitet Ihr die Verbrechen Eures Vaters ab?«, fragte Lord Baelish.
»Nein, Mylords.« Sansa war klug genug, dies nicht zu tun. »Ich weiß, dass er bestraft werden muss. Ich bitte nur um Gnade. Ich weiß, dass mein Vater bereuen wird, was er getan hat. Er war König Roberts Freund, und er hat ihn geliebt, Ihr alle wisst, wie sehr. Bis der König ihn darum gebeten hat, wollte er nie die Hand sein. Sie müssen ihn belogen haben. Lord Renly oder Lord Stannis oder … oder irgendwer, sie müssen gelogen haben, sonst …«
König Joffrey beugte sich vor, und seine Hände packten die Lehnen des Thrones. Zerbrochene Schwertspitzen ragten zwischen seinen Fingern auf. »Er hat gesagt, ich sei nicht der König. Warum hat er das gesagt?«
»Er hatte sich das Bein gebrochen«, antwortete Sansa eifrig. »Es hat so wehgetan, dass Maester Pycelle ihm Mohnblumensaft geben musste, und es heißt, vom Mohnblumensaft wäre der Kopf voller Wolken. Sonst hätte er es nie gesagt. «
Varys sagte: »Kindliches Vertrauen … so süße Unschuld … und doch sagt man, oft käme Weisheit aus dem Mund der Kinder.«
»Verrat bleibt Verrat«, gab Pycelle gleich zurück.
Unruhig wiegte sich Joffrey auf seinem Thron. »Mutter? «
Cersei Lennister betrachtete Sansa nachdenklich. »Wenn Lord Eddard seine Verbrechen gestehen würde«, sagte sie schließlich, »wüssten wir, dass er seine Torheit bereut.«
Joffrey sprang auf. Bitte, dachte Sansa, bitte, bitte, sei der König, von dem ich weiß, dass du es bist, gut und mild und edel, bitte. »Habt Ihr noch mehr zu sagen?«, fragte er sie.
»Nur … wenn Ihr mich liebt, tut mir diesen Gefallen, mein Prinz«, sagte Sansa.
König Joffrey musterte sie von oben bis unten. »Eure lieblichen Worte haben mich bewegt«, sagte er galant und nickte, als wollte er sagen, alles würde noch gut werden. »Ich
will tun, worum Ihr mich bittet … zuerst jedoch muss Euer Vater gestehen. Er muss gestehen und sagen, dass ich der König bin, sonst wird es für ihn keine Gnade geben.«
»Das wird er«, sagte Sansa mit rasendem Herzen. »Oh, ich weiß, dass er es tun wird.«
EDDARD
Das Stroh am Boden stank nach Urin. Es gab kein Fenster, kein Bett, nicht einmal einen Eimer. Er erinnerte sich an hellroten Stein, mit Flecken von Salpeter überzogen, eine graue Tür aus gesplittertem Holz, zwei Handbreit dick und mit Eisen beschlagen. Er hatte sie gesehen, kurz, einen Blick darauf geworfen, als man ihn hineinstieß. Seit die Tür verschlossen war, hatte er nichts mehr gesehen. Das Dunkel war vollkommen. Er hätte ebenso blind sein können.
Oder tot. Mit seinem König begraben. »Ach, Robert«, murmelte er, während seine Hand über eine kalte Steinwand tastete und bei jeder Bewegung der Schmerz in seinem Bein pulsierte. Er dachte an den Scherz, den der König in der Gruft von Winterfell gemacht hatte, als die Könige von Winter sie mit kalten, steinernen Augen anstarrten. Der König speist, hatte Robert gesagt, und an der Hand bleibt die Scheiße kleben. Wie hatte er gelacht! Doch hatte er es falsch verstanden. Stirbt der König, dachte Ned, wird die Hand begraben.
Der Kerker lag unter dem Roten Bergfried, tiefer, als er sich vorzustellen wagte. Alte Geschichten von Maegor dem Grausamen fielen ihm ein, der sämtliche Maurer, die ihm seine Burg erbaut hatten, ermordet hatte, damit sie deren Geheimnisse nicht preisgeben konnten.
Er verfluchte sie alle: Kleinfinger, Janos Slynt und seine Goldröcke, die Königin, den Königsmörder, Pycelle und Varys und Ser Barristan, sogar Lord Renly, Roberts eigen Blut,
der geflohen war, als er am dringendsten gebraucht wurde. Doch am Ende gab er sich selbst die Schuld. »Dummkopf«, rief er in die Finsternis, »dreimal vermaledeiter, blinder Narr!«
Cersei Lennisters Gesicht schien vor ihm in der Dunkelheit zu
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