Das Lied von Eis und Feuer 04 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 04 - A Clash of Kings (Pages 332-728)
und Dany blieb stehen und schaute hinein. Dahinter lag eine höhlenartige Steinhalle, die größte, die sie je gesehen hatte. Von den Wänden starrten sie die Schädel toter Drachen an. Auf einem hoch aufragenden Thron voller scharfer Spitzen saß ein alter Mann in prächtigen Gewändern mit dunklen Augen und langem silbergrauem Haar. »Soll er doch König über verkohlte Knochen und gekochtes Fleisch sein«, sagte er zu einem Mann, der unter ihm stand. »Soll er doch König der Asche sein.« Drogon kreischte, und seine Krallen bohrten sich durch Seide und Haut, doch der König auf dem Thron hörte nichts, und Dany ging weiter.
Viserys , war ihr erster Gedanke, als sie das nächste Mal stehen blieb, auf den zweiten Blick musste sie sich allerdings berichtigen. Der Mann hatte das gleiche Haar wie ihr Bruder, doch er war größer, und seine Augen waren eher dunkel indigofarben denn veilchenblau. »Aegon«, sagte er zu einer Frau, die ein Neugeborenes in einem großen Holzbett stillte. »Welcher Name wäre für einen König besser geeignet?«
»Wirst du ein Lied für ihn verfassen?«, fragte die Frau.
»Er hat schon ein Lied«, erwiderte der Mann. »Er ist der Prinz, der verheißen wurde, und sein ist das Lied von Eis und Feuer.« Er blickte auf, als er dies sagte, und sein Blick traf Danys, und es schien, als könnte er sie dort jenseits der Tür stehen sehen. »Es fehlt noch einer«, fuhr er fort, und ob er zu ihr sprach oder zu der Frau in dem Bett, vermochte sie nicht zu sagen. »Der Drache hat drei Köpfe.« Er ging zum Fenster, nahm eine Harfe und strich mit den Fingern sanft über die silbernen Saiten. Süße Traurigkeit erfüllte den Raum, derweil Mann und Frau und Säugling sich wie Morgennebel auflösten, nur die Musik blieb, während Dany eilig ihren Weg fortsetzte.
Ihr schien es, dass sie eine weitere Stunde gegangen war,
ehe der lange Gang schließlich an einer steilen Steintreppe endete, deren Stufen nach unten in die Dunkelheit führten. Jede Tür, ob offen oder geschlossen, hatte sich auf der linken Seite befunden. Dany blickte hinter sich zurück. Die Fackeln erloschen, bemerkte sie erschrocken. Vielleicht zwanzig, höchstens dreißig brannten noch. Eine Flamme erstarb gerade flackernd, während Dany zusah, und die Finsternis kroch wieder ein wenig weiter durch die Halle auf sie zu. Und während sie lauschte, war ihr, als hörte sie noch etwas anderes näher kommen, etwas, das sich schlurfend und schwerfällig über den alten Teppich schleppte. Angst erfüllte sie. Sie konnte nicht zurück, sie fürchtete sich hierzubleiben, doch wohin sollte sie gehen? Zu ihrer Rechten gab es keine Tür, und die Treppe führte nach unten, nicht nach oben.
Und schon erlosch die nächste Fackel, während sie nachdachte, und die unheimlichen Geräusche wurden ein wenig lauter. Drogon streckte den Hals, schrie, und Dampf trat zwischen seinen Zähnen hervor. Er hört es ebenfalls. Dany wandte sich der kahlen Wand zu. Gibt es vielleicht eine Geheimtür, eine Tür, die ich nicht sehen kann? Die nächste Fackel ging aus. Und wieder eine. Die erste Tür auf der rechten Seite, hatte er gesagt, immer nur die erste Tür auf der rechten Seite. Die erste Tür auf der rechten Seite …
Plötzlich dämmerte es ihr. … ist die letzte Tür auf der Linken!
Sie eilte hindurch und betrat einen weiteren Raum mit vier Türen. Sie wählte die rechte und wieder die rechte und erneut die rechte, ging durch die rechte, durch die rechte, durch die rechte, immer durch die rechte, bis ihr schwindlig wurde und sie keine Luft mehr bekam.
Als sie stehen blieb, befand sie sich abermals in einer feuchten Steinkammer … nur diesmal war die Tür ihr gegenüber rund und geformt wie ein offener Mund, und Pyat Pree stand draußen im Gras unter den Bäumen. »Sind die Unsterblichen schon mit Euch fertig?«, fragte er ungläubig.
»Schon?« , fragte sie verwirrt zurück. »Ich bin stundenlang gelaufen und habe sie immer noch nicht gefunden.«
»Dann seid Ihr falsch abgebogen. Kommt, ich werde Euch führen.« Pyat Pree hielt ihr die Hand hin.
Dany zögerte. Zu ihrer Rechten war eine geschlossene Tür …
»Dort geht es nicht entlang«, sagte Pyat Pree drängend und verzog die blauen Lippen missbilligend. »Die Unsterblichen werden nicht ewig warten.«
»Unsere kleinen Leben bedeuten ihnen nicht mehr als das Flackern einer Motte«, erinnerte ihn Dany.
»Starrsinniges Kind. Ihr werdet Euch verirren und nie wieder herausfinden.«
Sie schritt auf
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