Das Lied von Eis und Feuer 04 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 04 - A Clash of Kings (Pages 332-728)
trank. Sie konnte sie in Lord Gils röchelndem Husten hören und in der Flüsterstimme von Osney Schwarzkessel, wenn er hereinkam und Cersei Nachrichten überbrachte.
Sansa war gerade mit der Suppe fertig, als er zum ersten Mal eintrat. Sie beobachtete ihn, während er sich mit seinem Bruder Osfryd unterhielt. Dann stieg er aufs Podest und kniete neben dem hohen Stuhl nieder. Er roch nach Pferd, vier lange dünne Kratzer auf seinen Wangen waren blutverkrustet, und sein Haar fiel ihm über den Kragen und in die Augen. Obwohl er flüsterte, konnte Sansa ihn gut verstehen. »Die Flotten haben mit dem Gefecht begonnen. Ein paar Bogenschützen haben es auf unser Ufer geschafft, aber der Bluthund hat sie in Stücke gehauen, Euer Gnaden. Euer Bruder lässt seine Kette spannen, ich habe das Signal gehört. Unten in Flohloch haben Trunkenbolde Türen eingetreten und plündern Häuser. Lord Amwasser hat Goldröcke entsandt, die sich darum kümmern sollen. Baelors Septe ist gerammelt voll. Alle beten.«
»Und mein Sohn?«
»Der König war ebenfalls in Baelors Septe, um den Segen des Hohen Septons entgegenzunehmen. Jetzt ist er mit der Hand auf der Mauer und ermutigt die Männer.«
Cersei rief ihren Pagen und ließ sich ihren Weinkelch mit einem fruchtigen, kräftigen und edlen Goldenen vom Arbor auffüllen. Die Königin trank viel heute, doch der Wein schien sie nur noch schöner zu machen; ihre Wangen glühten rot, ihre Augen hatten einen hellen, fiebrigen Glanz, während sie den Blick durch den Saal schweifen ließ. Augen aus Seefeuer, dachte Sansa.
Musiker spielten. Jongleure führten ihre Kunststücke vor. Mondbub wankte auf Stelzen durch den Raum und verspottete einen jeden, derweil Ser Dontos die Dienstmädchen auf seinem Steckenpferd jagte. Die Gäste lachten, doch es war ein Lachen ohne Freude, jene Art Lachen, die innerhalb eines Augenblicks in Schluchzen umschlagen kann. Ihre Leiber sind hier, aber ihre Gedanken sind draußen auf den Mauern, und ihre Herzen auch.
Nach der Suppe folgte ein Salat aus Äpfeln, Nüssen und Rosinen. Zu jeder anderen Zeit hätte er Sansa köstlich gemundet, heute jedoch schmeckte alles nach Angst. Sansa war nicht die Einzige im Saal, die keinen Appetit hatte. Lord Gil hustete mehr, als dass er aß, Lollys Schurwerth saß zusammengesunken da und zitterte, und die junge Braut eines der Ritter von Ser Lancel begann plötzlich hemmungslos zu weinen. Die Königin beauftragte Maester Frenken, sie mit einem Becher Traumwein zu Bett zu bringen. »Tränen«, sagte sie höhnisch zu Sansa, während die Frau hinausgeführt wurde. »Die Waffe einer Frau, nannte meine Mutter sie immer. Die Waffe eines Mannes ist das Schwert. Und damit weiß man alles, was man wissen muss, nicht wahr?«
»Männer müssen außerdem sehr tapfer sein«, sagte Sansa. »Um hinauszureiten und sich den Schwertern und Äxten zu stellen, wo einen alle umbringen wollen …«
»Jaime hat mir einmal erzählt, dass er sich nur in der Schlacht und im Bett wirklich lebendig fühlt.« Sie hob den Becher und trank einen großen Schluck. Ihren Salat hatte sie nicht angerührt. »Lieber würde ich mich jeder Anzahl
Schwerter stellen, als hilflos hier herumzusitzen und vorgeben zu müssen, ich würde die Gesellschaft dieser verängstigten Hühner genießen.«
»Ihr habt sie selbst hergebeten, Euer Gnaden.«
»Gewisse Dinge werden von einer Königin erwartet. Und man wird sie auch von dir erwarten, solltest du jemals Joffrey heiraten. Lerne es lieber.« Die Königin musterte die Ehefrauen, Töchter, Mütter und Schwestern, die die Bänke füllten. »Die Hennen selbst sind wertlos, aber ihre Hähne sind aus dem einen oder anderen Grund wichtig, und einige von ihnen werden diese Schlacht wohl überleben. Daher ist es notwendig, dass ich ihren Frauen Schutz gewähre. Falls mein verkrüppelter Zwerg von einem Bruder es irgendwie schafft, zu gewinnen, werden sie zu ihren Gatten und Vätern zurückkehren und berichten, wie mutig ich war und wie sehr meine Tapferkeit sich auf sie übertragen und ihren Mut gestärkt hat und dass ich keinen Moment lang an unserem Sieg gezweifelt habe.«
»Und wenn die Burg fällt?«
»Das würde dir so passen, nicht?« Cersei wartete ihre Verneinung gar nicht erst ab. »Solange mich meine eigenen Wachen nicht verraten, kann ich mich hier noch eine Weile halten. Dann kann ich auf die Mauer steigen und Lord Stannis das Angebot machen, mich nur ihm persönlich zu ergeben. Das wird uns das Schlimmste
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