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Das Lied von Eis und Feuer 04 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 04 - A Clash of Kings (Pages 332-728)

Das Lied von Eis und Feuer 04 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 04 - A Clash of Kings (Pages 332-728)

Titel: Das Lied von Eis und Feuer 04 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 04 - A Clash of Kings (Pages 332-728) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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den Dolch gezogen und richtete ihn auf ihre Kehle. »Sing, kleiner Vogel. Sing um dein kleines Leben.«
    Ihre Kehle war trocken und schnürte sich ihr vor Angst
zusammen, und sie hatte jedes Lied vergessen, das sie je gekannt hatte. Bitte, tötet mich nicht, wollte sie schreien, bitte nicht. Sie spürte, wie er die Spitze drehte, wie er sie ihr an den Hals drückte, und beinahe hätte sie erneut die Augen geschlossen, doch dann fiel es ihr ein. Wenn es auch nicht das Lied von Florian und Jonquil war, so war es doch wenigstens ein Lied. Ihre Stimme klang leise und dünn und zittrig in ihren Ohren.
    Edle Mutter, Quell der Gnade,
Rett’ unsre Söhne vor dem Krieg.
Senk ihre Schwerter, ihre Pfeile,
Zeig’ ihnen einen besseren Weg.
Edle Mutter, Stärkste der Frauen,
Hilf unsren Töchtern durch diesen Streit.
Lindere Zorn, bezähm die Wut,
Zeig uns den Weg in die bessere Zeit.
    Die anderen Strophen hatte sie vergessen. Als ihre Stimme verklang, fürchtete sie, er würde sie töten, doch kurz darauf nahm der Bluthund die Klinge von ihrem Hals. Er sagte kein Wort.
    Instinktiv hob sie die Hand und legte sie ihm auf die Wange. Im Zimmer war es zu dunkel, als dass sie ihn sehen konnte, dennoch fühlte sie das klebrige Blut und etwas Feuchtes, das kein Blut war. »Kleiner Vogel«, sagte er noch einmal mit rauer Stimme, die so hart klang wie Stahl, der über Stein kratzte. Dann erhob er sich vom Bett. Sansa hörte, wie Stoff zerrissen wurde, und leise Schritte, die sich entfernten.
    Eine Weile später kroch sie vom Bett und war allein. Sie fand seinen Mantel auf dem Boden. Die zusammengeballte weiße Wolle war mit Blut und Ruß befleckt. Der Himmel draußen war dunkler geworden, nur ein paar grüne Geister tanzten noch vor den Sternen. Kalt wehte der Wind heran und ließ die Läden klappern. Sansa fror. Sie schüttelte den
zerrissenen Mantel aus, hüllte sich hinein und kauerte sich zitternd auf den Boden.
    Wie lange sie so blieb, wusste sie nicht zu sagen. Nach einer Weile hörte sie auf der anderen Seite der Stadt eine Glocke läuten. Der tiefe bronzene Ton wurde mit jedem Schlag drängender. Sansa fragte sich, was das wohl zu bedeuten hatte, als eine zweite Glocke mit einfiel, dann eine dritte. Ihre Stimmen erschollen über Hügel und Täler, durch Gassen und Türme, bis hin in die letzten Ecken von Königsmund. Sie warf den Mantel ab und ging zum Fenster.
    Im Osten machten sich die ersten schwachen Anzeichen der Morgendämmerung bemerkbar, und die Glocken des Roten Bergfrieds läuteten nun ebenfalls und gesellten sich zu dem anschwellenden, klingenden Strom, der sich von den sieben Türmen der Großen Septe von Baelor ergoss. Sie hatten die Glocken geläutet, als König Robert gestorben war, erinnerte sie sich, doch diesmal klangen sie anders, nicht wie wehmütiges Totengeläut, sondern waren ein fröhlicher Donner. Sie hörte Männer auf den Straßen rufen, und etwas, das nur Jubel sein konnte.
    Es war Ser Dontos, der ihr die Neuigkeiten brachte. Er taumelte durch die offene Tür, schloss sie in seine schwabbeligen Arme, drehte sie wieder und wieder im Kreis und juchzte dabei so unzusammenhängend, dass Sansa kein Wort verstand. Er war nicht weniger betrunken als der Bluthund, doch wenigstens hatte sein Rausch etwas Fröhliches an sich. Als er sie absetzte, war ihr schwindlig, und sie schnappte nach Luft. »Was gibt es denn?« Sie hielt sich am Bettpfosten fest. »Was ist geschehen? Sagt schon!«
    »Es ist vollbracht! Vollbracht! Vollbracht! Die Stadt ist gerettet. Lord Stannis ist tot, Lord Stannis ist geflohen, niemand weiß es, niemand will es wissen, sein Heer ist zerstreut, die Gefahr ist gebannt. Niedergemetzelt, vertrieben oder übergelaufen, heißt es. Oh, die strahlenden Banner! Die Banner, Jonquil, die Banner! Habt Ihr vielleicht Wein hier? Wir sollten
auf diesen Tag trinken, ja. Ihr seid in Sicherheit, versteht Ihr nicht?«
    »Sagt mir, was passiert ist!« Sansa schüttelte ihn.
    Ser Dontos lachte und hüpfte von einem Bein aufs andere, wobei er beinahe stürzte. »Sie sind durch die Asche gekommen, während der Fluss brannte. Der Fluss, Stannis stand bis zum Hals im Wasser, und sie kamen von hinten. Oh, wäre ich nur noch ein Ritter gewesen, oh, hätte ich nur daran teilnehmen dürfen! Seine Männer haben kaum Widerstand geleistet, heißt es. Manche sind geflohen, aber die meisten haben das Knie gebeugt und sind übergelaufen und riefen nach Lord Renly! Was muss Stannis gedacht haben, als er das hörte?

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