Das Lied von Eis und Feuer 04 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 04 - A Clash of Kings (Pages 332-728)
Zweige ab und brach jeden in der Mitte durch, ehe er ihn in die Flammen warf. Der Baum war schon seit langer Zeit tot, doch im Feuer schien er zu neuem Leben zu erwachen, denn in jedem Stück Holz steckten brennende Tänzer, die ihre glühenden gelben, roten und orangefarbenen Kleider herumwirbelten.
»Genug«, sagte Qhorin plötzlich. »Jetzt reiten wir los.«
»Reiten?« Jenseits des Feuers war es dunkel, und die Nacht war kalt. »Wohin?«
»Zurück.« Qhorin stieg noch einmal auf sein müdes Pferd. »Das Feuer wird sie herlocken, hoffe ich. Komm, Bruder.«
Jon zog sich die Handschuhe an und streifte die Kapuze über. Sogar die Pferde wollten das Feuer nicht verlassen. Die Sonne war schon lange untergegangen, und nur der kalte silberne Glanz des Halbmonds beleuchtete den heimtückischen Grund. Er wusste nicht, was Qhorin vorhatte, doch vielleicht war es eine Chance. Hoffentlich. Ich will nicht den Eidbrüchigen spielen, auch nicht aus gutem Grund.
Vorsichtig bewegten sie sich so leise voran, wie Mann und Pferd es nur konnten, ritten in ihren Spuren zurück, bis sie den Eingang einer schmalen Schlucht erreichten, wo ein eisiger kleiner Bach zwischen zwei Bergen hervorströmte. Jon erinnerte sich an die Stelle. Hier hatten sie vor Sonnenuntergang die Pferde getränkt.
»Das Wasser gefriert«, erklärte Qhorin, »sonst würden wir im Bachbett reiten. Aber wenn wir das Eis brechen, werden sie es bestimmt sehen. Halt dich dicht an der Steilwand. Nach einer halben Meile kommt eine Biegung, und dahinter sind wir gut versteckt.« Er lenkte sein Pferd in die Schlucht. Jon warf dem fernen Feuer einen letzten wehmütigen Blick zu und ritt ihm nach.
Je weiter sie kamen, desto enger rückten die Felsen zusammen. Die beiden Reiter folgten dem mondbeschienenen
Band des Bachs zu seiner Quelle. Eiszapfen hingen am steinigen Ufer, doch unter der harten Kruste rauschte das Wasser.
Ein großes Felsgewirr blockierte dort, wo ein Überhang abgebrochen war, den Weg, doch die trittsicheren kleinen Pferde überwanden das Hindernis. Auf der anderen Seite machte der Weg eine scharfe Biegung, und der Bach führte sie zum Fuß eines hohen Wasserfalls. Die Luft war voller Dunst, wie vom Atem eines riesigen kalten Tieres. Das herabstürzende Wasser glänzte silbern im Mondlicht. Jon blickte sich bestürzt um. Hier gibt es keinen Ausweg . Er und Qhorin könnten an den Felsen hochklettern, jedoch nur ohne die Pferde. Zu Fuß würden sie nicht weit kommen.
»Rasch jetzt«, befahl Halbhand. Der große Mann ritt auf seinem kleinen Pferd über die eisglatten Steine genau in den Vorhang aus Wasser und verschwand. Als er nicht wieder auftauchte, gab Jon seinem Tier die Sporen und folgte ihm. Das Pferd wollte scheuen. Das herabstürzende Wasser schlug mit gefrorenen Fäusten auf sie ein, und die Kälte verschlug Jon den Atem.
Dann war er durch; nass und zitternd zwar, doch durch.
Die Lücke im Felsen war gerade groß genug, um einen Mann und ein Pferd durchzulassen, dahinter jedoch öffneten sich die Felswände, und der Boden bestand aus weichem Sand. Jon fühlte, wie die Wasserspritzer in seinem Bart gefroren. Geist sprang mit einem wilden Satz durch den Wasserfall, schüttelte sein Fell und schnüffelte misstrauisch in die Dunkelheit hinein; dann hob er das Bein und markierte eine der Felswände. Qhorin war bereits abgestiegen. Jon tat es ihm nach. »Ihr kanntet diesen Ort.«
»Als ich in deinem Alter war, hörte ich einen Bruder erzählen, wie er eine Schattenkatze durch diesen Wasserfall verfolgt hat.« Er sattelte sein Pferd ab und strich ihm durch die zottelige Mähne. »Es gibt einen Weg mitten durch den Berg. Bei Tagesanbruch werden wir weiterziehen, wenn sie uns bis
dahin nicht gefunden haben. Ich übernehme die erste Wache, Bruder.« Qhorin setzte sich in den Sand, lehnte sich an die Wand und war im Dämmerlicht der Höhle kaum mehr als ein schwarzer Schatten. Durch das Rauschen des Wassers hörte Jon das leise Klirren von Stahl, demnach hatte Halbhand sein Schwert gezogen.
Er zog seinen nassen Mantel aus; um mehr Kleidung abzulegen, war es jedoch zu kalt und feucht. Geist streckte sich neben ihm aus und leckte seinen Handschuh ab, ehe er sich zum Schlafen zusammenrollte. Jon war dankbar für seine Wärme. Er fragte sich, ob das Feuer draußen wohl noch immer brannte oder ob es schon erloschen war. Sollte die Mauer jemals fallen, werden alle Feuer ausgehen. Der Mond schien durch den Wasservorhang herein und legte einen schimmernden
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