Das Lied von Eis und Feuer 05 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 05 - A Storm of Swords. Book Three of A Song of Ice and Fire (1)
Diesmal erwischte er gleich den ersten Raben, der flüchten wollte. Einen Augenblick später bahnte er sich bereits einen Weg durch den rieselnden Schnee in die Höhe und trug die Botschaft von dem Angriff mit sich davon.
Nachdem Sam seine Pflicht erfüllt hatte, zog er sich voller Furcht mit ungeschickten Fingern zu Ende an, setzte seine Mütze auf, zog seinen Überrock und den Mantel mit der Kapuze an und schnallte sich den Schwertgurt richtig fest, damit er nicht rutschen würde. Dann ging er zu seinem Rucksack und stopfte seine ganzen Habseligkeiten hinein, Unterwäsche
und Socken zum Wechseln, die Pfeilspitzen und die Speerspitze aus Drachenglas, die Jon ihm geschenkt hatte, und auch das alte Horn, seine Pergamente, Tinte und Federn, die Karten, die er gezeichnet hatte, und eine steinharte Knoblauchwurst, die er seit dem Aufbruch von der Mauer aufgehoben hatte. Das alles schnürte er zusammen und schnallte es sich auf den Rücken. Der Lord Kommandant hat gesagt, ich soll nicht zur Ringmauer laufen, erinnerte er sich, aber er hat auch gesagt, ich soll nicht zu ihm rennen. Sam holte tief Luft und stellte fest, dass er nicht wusste, was er jetzt zu tun hatte.
Er erinnerte sich, wie er sich verloren im Kreis gedreht hatte, wie die Angst in ihm gewachsen war, was nicht selten geschah. Hunde bellten, Pferde wieherten, doch der Schnee dämpfte die Geräusche, und so wirkten sie seltsam fern. Weiter als drei Meter konnte Sam nicht sehen, selbst die Fackeln, die auf der niedrigen Steinmauer brannten, welche den Hügel krönte, konnte er nicht erkennen. Sind die Fackeln vielleicht erloschen? Dieser Gedanke war einfach zu entsetzlich. Das Horn wurde drei Mal lang geblasen, drei lange Stöße bedeuten Andere. Die Weißen Wanderer der Wälder, die Kalten Schatten, die Ungeheuer aus den Märchen, bei denen er als Kind geschrien und gezittert hatte, die auf riesigen Eisspinnen ritten und nach Blut gierten ...
Unbeholfen zog er sein Schwert und stapfte schwer durch den Schnee. Ein Hund lief bellend an ihm vorbei, und er sah einige der Männer vom Schattenturm, große, bärtige Kerle mit Langäxten und acht Fuß langen Speeren. In ihrer Gesellschaft fühlte er sich sicherer, daher folgte er ihnen zur Mauer. Dort brannten auf den Steinen des Rings noch die Fackeln, und die Erleichterung darüber durchfuhr ihn mit einem Schauder.
Die Schwarzen Brüder standen mit Schwertern und Speeren in der Hand da, betrachteten den fallenden Schnee und warteten. Ser Mallador Locke kam auf seinem Pferd vorbei und trug einen schneebefleckten Helm. Sam blieb ein Stück hinter
den anderen stehen und hielt nach Grenn oder dem Schwermütigen Edd Ausschau. Wenn ich schon sterben muss, dann wenigstens mit meinen Freunden zusammen, an diesen Gedanken konnte er sich erinnern. Doch alle Männer um ihn herum waren Fremde, Männer vom Schattenturm, die unter dem Befehl des Grenzers namens Blan standen.
»Da kommen sie«, hörte er einen Bruder sagen.
»Auflegen«, befahl Blan, und zwanzig schwarze Pfeile wurden aus ebenso vielen Köchern gezogen und auf ebenso viele Sehnen gelegt.
»Bei den guten Göttern, es sind Hunderte«, sagte jemand leise.
»Spannen«, sagte Blan, und dann: »Wartet.« Sam konnte nichts sehen und wollte nichts sehen. Die Männer der Nachtwache standen hinter ihren Fackeln, hatten die Pfeile bis an die Wangen gezogen und warteten, während etwas den dunklen, rutschigen Hang durch den Schnee hinaufkam. »Wartet«, sagte Blan erneut, »wartet, wartet.« Und schließlich: »Schießt.«
Die Pfeile wisperten im Fluge.
Vereinzelt erhob sich rauer Jubel unter den Männern auf der Rundmauer, der jedoch rasch erstarb. »Sie bleiben nicht stehen, Mylord«, meldete ein Mann an Blan, und ein zweiter rief: »Noch mehr! Schaut, da kommen noch mehr zwischen den Bäumen hervor«, und ein dritter sagte: »Die Götter mögen gnädig sein, es wimmelt nur so von ihnen. Sie sind fast hier, da sind sie!« Längst war Sam zurückgewichen und zitterte wie das letzte Blatt an einem Baum im Winde, vor Kälte ebenso wie vor Angst. Jene Nacht war äußerst kalt gewesen. Es war sogar noch kälter als jetzt. Der Schnee fühlt sich fast warm an. Mir geht es schon viel besser. Ich habe nur eine kleine Rast gebraucht. vielleicht bin ich bald wieder stark genug, um weiterzugehen. Bald.
Ein Pferd trat an seinem Kopf vorbei, ein zotteliges graues Tier mit Schnee in der Mähne und eisverkrusteten Hufen.
Sam schaute ihm beim Kommen und Gehen zu. Aus dem
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