Das Lied von Eis und Feuer 05 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 05 - A Storm of Swords. Book Three of A Song of Ice and Fire (1)
Jon mit Schrecken, doch Manke hatte etwas Besseres geplant. Die Wildlinge, die Jarl unten gelassen hatte, packten eine riesige Strickleiter mit Hanfsprossen von der Dicke eines Arms aus und befestigten sie an dem Seil der Kletterer. Errok und Grigg und ihre Leute zogen sie ächzend und keuchend hinauf, banden sie oben fest und ließen das Seil dann erneut hinunter, damit eine zweite Leiter daran befestigt werden konnte. Insgesamt waren es fünf.
Nachdem alle an Ort und Stelle waren, rief der Magnar einen barschen Befehl in der Alten Sprache, und fünf der Thenns begannen den Aufstieg. Sogar mit Hilfe der Leiter war es kein Kinderspiel. Ygritte beobachtete ihre Anstrengungen eine Weile. »Ich hasse diese Mauer«, sagte sie leise und wütend. »Spürst du, wie kalt sie ist?«
»Sie ist aus Eis«, wandte Jon ein.
»Du weißt gar nichts, Jon Schnee. Diese Mauer ist aus Blut gemacht.«
Und sie hatte sich noch nicht genug Opfer geholt. Bis Sonnenuntergang waren zwei der Thenns von der Leiter in den Tod gestürzt, aber diese beiden waren die Letzten. Erst gegen Mitternacht erreichte Jon die Mauerkrone. Die Sterne schienen wieder, und Ygritte zitterte von der Kletterei. »Ich wäre beinahe abgestürzt«, sagte sie mit Tränen in den Augen. »Zweimal. Dreimal. Die Mauer hat versucht, mich abzuschütteln, ich konnte es spüren.« Eine der Tränen löste sich und rann langsam über ihre Wange.
»Das Schlimmste liegt hinter uns.« Jon gab sich Mühe, zuversichtlich
zu klingen. »Hab keine Angst.« Er wollte den Arm um sie legen.
Ygritte stieß ihm die flache Hand so hart vor die Brust, dass er den Schmerz durch alle Schichten von Wolle, Kettenhemd und gehärtetem Leder fühlte. »Ich hatte keine Angst. Du weißt gar nichts, Jon Schnee.«
»Weshalb weinst du dann?«
»Nicht aus Angst!« Sie trat wild mit dem Absatz auf das Eis unter sich und schlug ein Stück heraus. »Ich weine, weil wir das Horn des Winters nie gefunden haben. Wir haben ein halbes Hundert Gräber geöffnet und all diese Schatten auf die Welt losgelassen, und trotzdem haben wir das Horn von Joramun nicht gefunden, das dieses kalte Ding niederreißen könnte!«
JAIME
Seine Hand brannte.
Noch immer, noch immer, lange nachdem sie die Fackel gelöscht hatten, mit der sie den blutigen Stumpf ausgebrannt hatten, fühlte er, wie das Feuer seinen Arm hinaufschoss und seine Finger sich in den Flammen krümmten, die Finger, die er nicht mehr hatte.
Er war schon früher verwundet worden, doch niemals auf diese Weise. Er hatte nicht gewusst, dass es solche Schmerzen gab. Manchmal stammelte er ungewollt alte Gebete vor sich hin, Gebete, die er als Kind gelernt hatte und an die er seitdem nie mehr gedacht hatte, Gebete, die er erstmals zusammen mit Cersei gesprochen hatte, während sie Seite an Seite in der Septe von Casterlystein knieten. Gelegentlich weinte er sogar, bis er den Mummenschanz lachen hörte. Dann ließ er seine Augen austrocknen und sein Herz sterben und betete, das Fieber möge ihm auch die Tränen ausbrennen. Jetzt weiß ich, wie Tyrion sich all die Male gefühlt hat, wenn sie über ihn gelacht haben.
Nachdem er zum zweiten Mal aus dem Sattel gefallen war, banden sie ihn an Brienne von Tarth fest, und so mussten sie sich wieder das Pferd teilen. Eines Tages fesselten sie die zwei Gesicht zu Gesicht statt Rücken an Rücken. »Die Liebenden«, seufzte Shagwell laut, »und was für ein hübscher Anblick sie sind. Wäre es nicht eine Schande, diesen edlen Ritter und seine Dame voneinander zu trennen?« Daraufhin lachte er sein hohens schrilles Lachen und sagte: »Ach, aber wer von beiden ist der Ritter und wer die Dame?«
Hätte ich meine Hand noch, würdest du das sehr rasch herausfinden , dachte Jaime. Seine Arme schmerzten, und seine Beine waren von den Fesseln taub, doch nach einer Weile machte ihm beides nichts mehr aus. Seine Welt schrumpfte auf den pochenden Schmerz zusammen, den seine Phantomhand ihm bereitete, und auf Brienne, die gegen ihn gedrückt wurde. Wenigstens ist sie warm, tröstete er sich, obwohl der Atem des Mädels genauso stank wie sein eigener.
Seine Hand befand sich ständig zwischen ihnen. Urswyck hatte sie ihm an einem Band um den Hals gehängt, und so baumelte sie vor seiner Brust und schlug gegen Briennes Busen, während er immer wieder kurzzeitig das Bewusstsein verlor. Sein rechtes Auge war zugeschwollen, die Wunde, wo Brienne ihn bei ihrem Kampf verletzt hatte, entzündete sich, aber vor allem schmerzte die Hand.
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