Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
gelogen, darauf würde ich meine Seele verwetten. Mein Sohn … Du liebst deine Kinder, nicht?«
»Von ganzem Herzen«, sagte Ned.
»Ich will dir ein Geheimnis verraten, Ned. Mehr als einmal habe ich davon geträumt, die Krone abzugeben. Mich mit meinem Pferd und meinem Hammer nach den Freien Städten einzuschiffen und meine Zeit mit Kriegerei und Hurerei zu verbringen, denn dafür bin ich gemacht. Der Söldnerkönig, wie die Sänger mich lieben würden. Weißt du, was mich davon abhält? Der Gedanke an Joffrey auf dem Thron, während Cersei hinter ihm steht und in sein Ohr flüstert. Mein Sohn. Wie konnte ich einen solchen Sohn in die Welt setzen, Ned?«
»Er ist noch ein Junge«, sagte Ned unbeholfen. Er hatte für Prinz Joffrey nur wenig übrig, doch hörte er den Schmerz in Roberts Stimme. »Hast du vergessen, wie wild du in seinem Alter warst?«
»Es würde mir nichts ausmachen, wenn der Junge wild wäre, Ned. Du kennst ihn nicht, wie ich ihn kenne.« Er seufzte und schüttelte den Kopf. »Ach, vielleicht hast du Recht. Jon hat mich oft genug zur Verzweiflung gebracht, und dennoch ist aus mir ein guter König geworden.« Robert sah Ned an und bedachte dessen Schweigen mit finsterem Blick. »Du könntest jetzt etwas sagen und mir zustimmen, weißt du.«
»Majestät …«, begann Ned vorsichtig.
Robert schlug Ned auf den Rücken. »Ach, sag nur, dass ich ein besserer König als Aerys bin, und lass es gut sein. Du konntest weder für die Liebe noch die Ehre jemals lügen, Ned Stark. Ich bin noch jung, und da du nun bei mir bist, wird alles anders werden. Wir machen es zu einer Herrschaft, von der man noch singen wird, und sollen die Lennisters in allen sieben Höllen schmoren. Ich rieche Schinken. Was glaubst du, wer heute unser Meister sein wird? Hast du Maas Tyrells Sohn gesehen? Den Ritter der Blumen nennen sie ihn. Das ist mal ein Sohn, auf den jeder Mann stolz wäre. Beim letzten Turnier, als er dem Königsmörder den goldenen Rumpf geprügelt hat, hättest du Cerseis Gesicht sehen sollen. Ich musste lachen, bis ich Seitenstechen hatte. Renly sagt, er hätte diese Schwester, eine Jungfer von vierzehn Jahren, lieblich wie der neue Morgen …«
Sie frühstückten schwarzes Brot, gekochte Gänseeier und Fisch, der mit Zwiebeln und Schinken gebraten war, an einem aufgebockten Tisch am Ufer des Flusses. Die Schwermut des Königs verflog mit dem Morgendunst, und bald schon aß Robert eine Orange, palaverte freudig über einen Morgen auf der Ehr, als sie noch Jungen gewesen waren. »… hatte Jon ein Fass voller Orangen gegeben, weißt du noch? Nur waren die Dinger verdorben, also habe ich meine über den Tisch und Dacks direkt in die Nase geworfen. Weißt du noch, Rotfests pockennarbiger Knappe? Er hat dann eine nach mir geworfen, und bevor Jon auch nur furzen konnte, flogen Orangen in allen Richtungen durch die Hohe Halle.« Er lachte donnernd, und selbst Ned lächelte bei der Erinnerung daran.
Das war der Junge, mit dem er aufgewachsen war, dachte er. Das war Robert Baratheon, wie er ihn kannte und liebte. Wenn er beweisen konnte, dass die Lennisters hinter dem Mordversuch auf Bran standen, wenn er beweisen konnte, dass sie Jon Arryn ermordet hatten, würde dieser Mann auf ihn hören. Dann würde Cersei stürzen, und der Königsmörder mit ihr, und falls Tywin es wagte, den Westen aufzuwiegeln, würde Robert ihn vernichten, wie er Rhaegar Targaryen am Trident vernichtet hatte. Das alles sah er klar und deutlich.
Dieses Frühstück schmeckte besser als alles, was Eddard Stark seit langer Zeit gegessen hatte, und danach fiel ihm das Lächeln leichter, bis es Zeit wurde, das Turnier wieder aufzunehmen.
Ned ging mit dem König zum Kampfplatz. Er hatte versprochen, sich die entscheidenden Durchgänge mit Sansa anzusehen. Septa Mordane war heute krank, und seine Tochter war entschlossen, sich das Ende des Turniers nicht entgehen zu lassen. Als er Robert zu dessen Platz geleitete, fiel ihm auf, dass Cersei Lennister es vorgezogen hatte, nicht zu erscheinen. Der Platz neben dem König war leer. Auch das gab Ned Grund zur Hoffnung.
Er bahnte sich einen Weg dorthin, wo seine Tochter saß, und fand sie, als die Hörner den ersten Kampf des Tages ankündigten. Sansa war derart versunken, dass sie seine Ankunft kaum bemerkte.
Sandor Clegane war der erste Reiter, der sich zeigte. Er trug einen olivgrünen Umhang über seiner aschgrauen Rüstung. Das und sein Helm in Form eines Hundekopfes waren sein einziges
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