Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
ihre Trauer sehr zu Herzen.«
»Er hat ein großes Herz, unser Robert«, befand Jaime mit trägem Lächeln. Es gab kaum etwas, das Jaime ernst nahm. Das wusste Tyrion von seinem Bruder, und er verzieh es ihm. Während all der schrecklich langen Jahre seiner Kindheit war Jaime der Einzige gewesen, der ihm jemals einen Hauch von Zuneigung und Respekt entgegengebracht hatte, und dafür war Tyrion gewillt, ihm fast alles zu vergeben.
Ein Diener trat heran. »Brot«, sagte Tyrion zu ihm, »und zwei von diesen kleinen Fischen, und einen Krug von diesem guten, dunklen Bier, um sie damit herunterzuspülen. Oh, und etwas Schinken. Brat ihn, bis er schwarz ist.« Der Mann verneigte sich und ging. Tyrion wandte sich wieder seinen Geschwistern zu. Zwillinge, männlich und weiblich. An diesem Morgen sahen sie einander sehr ähnlich. Beide hatten sie dunkles Grün gewählt, das ihrer Augenfarbe entsprach. Ihre blonden Locken waren modisch zerzaust, und Goldschmuck schimmerte an Handgelenken, Fingern und Hälsen.
Tyrion fragte sich, wie es wohl wäre, einen Zwilling zu haben, und kam zu dem Schluss, dass er es lieber nicht wissen wollte. Schlimm genug, sich selbst jeden Tag im Spiegel zu betrachten. Noch jemand wie er war eine grauenvolle Vorstellung.
Prinz Tommen meldete sich zu Wort. »Wisst Ihr Neues von Bran, Onkel?«
»Ich war heute Nacht noch in der Krankenstube«, erklärte Tyrion. »Es gab keine Veränderung. Der Maester hielt es für ein gutes Zeichen.«
»Ich will nicht, dass Brandon stirbt«, sagte Tommen ängstlich. Er war ein süßer Junge. Nicht wie sein Bruder, aber schließlich glichen Jaime und Tyrion einander selbst nicht eben wie ein Ei dem anderen.
»Lord Eddard hatte selbst einen Bruder namens Brandon«, erzählte Jaime nachdenklich. »Eine der Geiseln, die von Targaryen
ermordet wurden. Der Name scheint kein Glück zu bringen.«
»Oh, vielleicht bringt er ihm doch noch Glück«, warf Tyrion ein. Der Diener brachte seinen Teller. Er brach ein Stück vom schwarzen Brot ab.
Argwöhnisch betrachtete Cersei ihn. »Was meinst du damit? «
Tyrion sah sie mit schiefem Lächeln an. »Nun, nur dass Tommens Wunsch vielleicht in Erfüllung geht. Der Maester glaubt, der Junge könnte überleben.« Er nahm einen Schluck Bier.
Myrcella seufzte erleichtert auf, und Tommen lächelte angespannt, doch waren es nicht die Kinder, die Tyrion beobachtete. Der Blick, den Jaime und Cersei wechselten, dauerte nicht mehr als eine Sekunde, doch er entging ihm nicht. Dann sank der Blick seiner Schwester auf den Tisch. »Das ist kein Segen. Die Götter des Nordens sind grausam, wenn sie ein Kind mit solchen Schmerzen leben lassen.«
»Was waren die Worte des Maesters?«, fragte Jaime.
Der Schinken knirschte, als er hineinbiss. Nachdenklich kaute Tyrion einen Moment lang. »Er glaubt, wenn der Junge sterben sollte, dann hätte er es schon getan. Es geht nun schon vier Tage ohne jede Veränderung.«
»Wird Bran wieder gesund, Onkel?«, fragte die kleine Myrcella. Sie besaß die Schönheit ihrer Mutter, doch nichts von ihrem Wesen.
»Sein Rückgrat ist gebrochen, meine Kleine«, erklärte ihr Tyrion. »Der Sturz hat ihm außerdem die Beine zertrümmert. Man hält ihn mit Honig und Wasser am Leben, sonst müsste er verhungern. Vielleicht kann er, falls er erwacht, wieder richtig essen, doch wird er nie mehr laufen können.«
»Falls er erwacht«, wiederholte Cersei. »Ist das wahrscheinlich? «
»Das wissen nur die Götter allein«, erklärte ihr Tyrion. »Der Maester kann nur hoffen.« Er kaute noch etwas Brot. »Ich möchte schwören, dass dieser Wolf den Jungen am Leben
hält. Das Tier sitzt Tag und Nacht heulend vor seinem Fenster. Jedes Mal, wenn sie ihn fortjagen, kommt er zurück. Der Maester sagt, einmal hätten sie das Fenster geschlossen, um den Lärm auszusperren, und Bran schien schwächer zu werden. Als sie es wieder öffneten, schlug sein Herz fester.«
Die Königin erschauerte. »Diese Tiere haben etwas Unnatürliches an sich«, sagte sie. »Sie sind gefährlich. Ich werde nicht zulassen, dass sie mit uns in den Süden kommen.«
Jaime sagte: »Es dürfte dir schwerfallen, sie daran zu hindern, Schwester. Sie folgen diesen Mädchen überallhin.«
Tyrion machte sich an seinen Fisch. »Dann wollt ihr bald abreisen?«
»Leider nicht bald genug«, antwortete Cersei. Dann sah sie ihn skeptisch an. »Wollen wir abreisen?«, fragte sie. »Was ist mit dir? Bei allen Göttern, sag nicht, dass du hierbleiben
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