Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
ausdruckslos und müde. Der Besuch hatte ihn alle Kraft gekostet.
Robb wusste, dass etwas nicht stimmte. »Meine Mutter …«
»Sie war … sehr freundlich«, erklärte ihm Jon.
Robb wirkte erleichtert. »Gut.« Er lächelte. »Wenn wir uns wiedersehen, wirst du Schwarz tragen.«
Jon zwang sich, sein Lächeln zu erwidern. »Es war von jeher meine Farbe. Was glaubst du, wie lange es dauern wird?«
»Nicht lange«, versprach Robb. Er zog Jon an sich und schloss ihn fest in die Arme. »Leb wohl, Schnee.«
Jon erwiderte seine Umarmung. »Du auch, Stark. Pass gut auf Bran auf.«
»Das werde ich.« Sie lösten sich voneinander und sahen sich verlegen an. »Onkel Benjen sagte, ich soll dich zu den Ställen schicken, wenn ich dich sehe«, sagte Robb schließlich.
»Einen letzten Abschiedsgruß muss ich noch entbieten«, sagte Jon.
»Dann habe ich dich nicht gesehen«, erwiderte Robb. Jon ließ ihn dort im Schnee stehen, umgeben von Wagen und Wölfen und Pferden. Es war nur ein kurzer Weg zur Waffenkammer. Er sammelte sein Bündel auf und nahm die überdachte Brücke zum Großen Turm.
Arya war in ihrem Zimmer und packte eine polierte Eisenholztruhe, die größer war als sie selbst. Nymeria half ihr dabei. Arya musste nur mit dem Finger zeigen, und die Wölfin sprang durchs Zimmer, sammelte einen Seidenfetzen mit den Zähnen auf und brachte ihn heran. Doch als sie Geist witterte, hockte sie sich hin und jaulte.
Arya sah sich um, erkannte Jon und sprang auf. Sie warf ihre dünnen Arme fest um seinen Hals. »Ich hatte schon Angst, du wärest fort«, sagte sie, und der Atem saß in ihrer Kehle fest. »Sie wollten mich nicht hinauslassen, um dir Lebewohl zu sagen.«
»Was hast du wieder angestellt?« Jon war amüsiert.
Arya löste sich von ihm und verzog das Gesicht. »Nichts. Ich hatte gepackt und alles.« Sie deutete auf die mächtige Truhe, kaum mehr als zu einem Drittel gefüllt, und auf die Kleider, die überall im Zimmer verstreut lagen. »Septa Mordane sagt, ich müsste alles noch einmal machen. Meine Sachen seien nicht ordentlich gefaltet gewesen, sagt sie. Eine echte Dame aus dem Süden wirft ihre Sachen nicht einfach wie Lumpen in ihre Truhe, sagt sie.«
»Und das hattest du getan, kleine Schwester?«
»Na, die kommen doch ohnehin alle durcheinander«, verteidigte sie sich. »Wen interessiert es schon, ob sie gefaltet sind?«
»Septa Mordane«, erklärte Jon. »Ich glaube, es würde ihr auch nicht gefallen, dass Nymeria dir hilft.« Die Wölfin betrachtete ihn schweigend aus ihren dunklen, goldenen Augen. »Wie dem auch sei. Ich habe etwas für dich, das du mitnehmen kannst, und es muss sehr sorgfältig verpackt werden. «
Ihr Gesicht erstrahlte. »Ein Geschenk.«
»So könnte man es nennen. Schließ die Tür.«
Müde, aber aufgeregt, warf Arya einen Blick in den Flur. »Nymeria, hier. Pass auf.« Sie ließ den Wolf draußen, damit er sie vor Störungen warnte, und schloss die Tür. Inzwischen hatte Jon die Lumpen aufgemacht, in die er das Geschenk gewickelt hatte. Er hielt es ihr hin.
Aryas Augen wurden groß. Dunkle Augen wie die seinen. »Ein Schwert«, staunte sie leise und atemlos.
Die Scheide war aus weichem, grauem Leder, geschmeidig wie die Sünde. Langsam zog Jon die Klinge hervor, und Arya konnte den dunkelblauen Glanz des Stahls sehen. »Das ist kein Spielzeug«, erklärte er ihr. »Pass auf, dass du dich daran nicht schneidest. Die Schneiden sind scharf, man könnte sich glatt damit rasieren.«
»Mädchen rasieren sich nicht«, sagte Arya.
»Vielleicht sollten sie es tun. Hast du schon mal die Beine der Septa gesehen?«
Sie kicherte ihn an. »Es ist so dünn.«
»Genau wie du«, gab Jon zurück. »Ich habe es extra von Mikken anfertigen lassen. Banditen benutzen solche Schwerter in Pentos und Myr und den anderen Freien Städten. Es hackt einem Mann nicht gleich den Kopf ab, aber es kann ihn ordentlich durchlöchern, wenn man nur schnell genug ist.«
»Ich kann schnell sein«, sagte Arya.
»Du musst jeden Tag damit üben.« Er legte das Schwert in
ihre Hände, zeigte ihr, wie sie es halten sollte, und trat zurück. »Wie fühlt es sich an? Magst du seine Balance?«
»Ich glaube schon«, sagte Arya.
»Erste Lektion«, sagte Jon. »Zustechen nur mit dem spitzen Ende.«
Arya versetzte ihm mit der flachen Seite ihrer Klinge einen Schlag auf den Arm. Der Hieb schmerzte, doch merkte Jon, dass er grinste wie ein Idiot. »Ich weiß, welches Ende man benutzen muss«, sagte Arya. Ein
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