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Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell

Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell

Titel: Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R R Martin
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übernommen, und nun hörte er ihn überall. Er schob das Langschwert wieder in die Scheide. »Nein«, gab er zurück.
    Thorn schritt ihm entgegen, und sprödes, schwarzes Leder knirschte leise, wenn er ging. Er war ein gedrungener Mann von fünfzig Jahren, mager und hart, mit Grau im schwarzen Haar und Augen wie Splitter von Onyx. »Die Wahrheit«, befahl er.
    »Ich bin müde«, räumte Jon ein. Sein Arm brannte vom Gewicht des Langschwerts, und jetzt, da der Kampf vorüber war, spürte er seine Prellungen.
    »Schwach bist du, das ist es.«
    »Ich habe gewonnen.«
    »Nein. Der Auerochse hat verloren.«
    Einer der anderen Jungen kicherte. Jon war klug genug, darauf nicht zu antworten. Er hatte jeden geschlagen, den Ser Allisar gegen ihn hatte antreten lassen, und dennoch brachte es ihm nichts ein. Der Waffenmeister zollte ihm nur Hohn und Spott. Thorn hasste ihn, davon war Jon überzeugt. Natürlich hasste er die anderen Jungen noch mehr.
    »Das wäre alles«, erklärte Thorn. »Mehr Unfähigkeit kann ich an einem Tag nicht ertragen. Falls uns die Anderen je holen wollen, bete ich darum, dass sie Bogenschützen haben, denn euer Haufen ist nur als Pfeilfutter zu gebrauchen.«
    Jon folgte dem Rest zur Waffenkammer, ging jedoch allein. Er ging hier oft allein. Fast zwanzig Jungen waren in der Gruppe, mit der er übte, doch konnte er keinen davon seinen Freund nennen. Die meisten waren zwei oder drei Jahre älter als er, aber keiner von ihnen war auch nur ein halb so
guter Kämpfer, wie Robb es mit vierzehn gewesen war. Dareon war schnell, fürchtete jedoch, getroffen zu werden. Pyp benutzte sein Schwert wie einen Dolch, Jeren war schwach wie ein Mädchen, Grenn langsam und ungeschickt. Halders Hiebe waren brutal hart, doch lief er einem direkt in die Attacke. Je mehr Zeit er mit ihnen verbrachte, desto mehr verachtete Jon sie.
    Drinnen hängte Jon Schwert und Scheide an einen Haken an der steinernen Wand, beachtete die anderen nicht. Systematisch begann er, Kettenhemd, Leder und schweißdurchtränkte Wollkleider abzulegen. Kohlebrocken brannten in eisernen Rosten an beiden Enden des langen Raumes, doch Jon merkte, dass er zitterte. Hier war die Kälte sein steter Begleiter geworden. In ein paar Jahren würde er vergessen haben, wie es sich anfühlte, wenn einem warm war.
    Die Müdigkeit überkam ihn ganz plötzlich, als er die grobgewebten, schwarzen Sachen überzog, die ihre Alltagskleider waren. Er saß auf einer Bank, und seine Finger fummelten an den Verschlüssen seines Umhangs herum. So kalt, dachte er, erinnerte sich an die warmen Säle von Winterfell, wo die heißen Fluten wie Blut im Menschenleib durch die Wände strömten. Es gab kaum Wärme in der Schwarzen Festung. Die Wände hier waren kalt, und die Menschen noch kälter.
    Niemand hatte ihm gesagt, dass die Nachtwache so sein würde, niemand außer Tyrion Lennister. Der Zwerg hatte ihm auf der Straße in den Norden die Wahrheit gesagt, doch da war es bereits zu spät gewesen. Jon fragte sich, ob sein Vater gewusst hatte, wie die Mauer sein würde. Er musste es gewusst haben, dachte er. Das machte alles nur noch schlimmer.
    Selbst sein Onkel hatte sich an diesem kalten Ort am Ende der Welt von ihm zurückgezogen. Hier oben war aus dem herzlichen Benjen Stark, den er kannte, ein anderer Mensch geworden. Er war Oberster Grenzwächter, und er verbrachte seine Tage und Nächte mit Lord Kommandant Mormont,
Maester Aemon und den anderen hohen Offizieren, während man Jon der weniger zart fühlenden Fürsorge Ser Allisar Thorns überließ.
    Drei Tage nach ihrer Ankunft hatte Jon gehört, dass Benjen Stark ein halbes Dutzend Männer auf eine Patrouille durch den Verfluchten Wald führen sollte. An jenem Abend suchte er seinen Onkel in dem großen, holzgetäfelten Gemeinschaftssaal auf und flehte ihn an, ihn mitzunehmen. Benjen wies ihn barsch zurück. »Hier ist nicht Winterfell«, erklärte er, während er sein Fleisch mit Gabel und Dolch zerteilte. »Auf der Mauer bekommt ein Mann nur das, was er verdient. Du bist keine Grenzwache, Jon, nur ein grüner Junge, der noch den Duft des Sommers an sich hat.«
    Dummerweise stritt Jon darum. »Ich werde fünfzehn an meinem Namenstag«, sagte er. »Fast schon ein erwachsener Mann.«
    Benjen Stark runzelte die Stirn. »Ein Junge bist du, und ein Junge wirst du bleiben, bis Ser Allisar sagt, dass du bereit bist, ein Mann der Nachtwache zu werden. Falls du geglaubt hast, mit deinem Blut der Starks hättest du hier leichtes

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