Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
Spiel, so hast du dich getäuscht. Wir entsagen unseren alten Familien, wenn wir unseren Eid sprechen. Dein Vater wird stets seinen Platz in meinem Herzen haben, doch diese hier sind jetzt meine Brüder.« Er deutete mit seinem Dolch auf die Männer um ihn, allesamt harte, kalte Männer in Schwarz.
Am nächsten Tag stand Jon im Morgengrauen auf, um zu sehen, wie sein Onkel auszog. Einer seiner Grenzwächter, ein großer, hässlicher Mann, sang ein unflätiges Lied, als er seinen Klepper sattelte, und sein Atem dampfte in der kalten Morgenluft. Darüber lächelte Ben Stark, doch für seinen Neffen hatte er kein Lächeln übrig. »Wie oft soll ich es dir noch sagen, Jon? Wir sprechen darüber, wenn ich zurück bin.«
Als er sah, wie der Onkel sein Pferd in den Tunnel führte, waren Jon die Dinge eingefallen, die Tyrion Lennister ihm auf dem Königsweg erzählt hatte, und vor seinem inneren Auge sah er Ben Stark tot am Boden liegen, sein Blut rot im
Schnee. Der Gedanke bereitete ihm Übelkeit. Was war mit ihm los? Später suchte er Geist in der Einsamkeit seiner Zelle auf und vergrub das Gesicht in seinem dicken, weißen Fell.
Wenn er allein sein musste, wollte er die Einsamkeit zu seinem Panzer machen. Die Schwarze Festung besaß keinen Götterhain, nur eine kleine Septe und einen betrunkenen Septon, doch Jon stand nicht der Sinn danach, irgendwelche Götter anzubeten, weder alte noch neue. Wenn es sie wirklich gab, dachte er, waren sie grausam und unnachgiebig wie der Winter.
Ihm fehlten seine wahren Brüder: der kleine Rickon und seine strahlenden Augen, wenn er um Süßes bettelte; Robb, sein Rivale und bester Freund und ständiger Begleiter; Bran, halsstarrig und seltsam, der immer mitkommen und bei allem mitmachen wollte, was Jon und Robb taten. Auch die Mädchen fehlten ihm, selbst Sansa, die ihn nie anders als »mein Halbbruder« nannte, seit sie alt genug war, zu verstehen, was Bastard bedeutete. Und Arya … sie fehlte ihm noch mehr als Robb, das magere, kleine Ding mit aufgeschlagenen Knien, zerzaustem Haar und zerrissenen Kleidern, so wild und so eigenwillig. Arya schien sich nirgends einzufügen, ganz wie er selbst … doch stets brachte sie Jon zum Lächeln. Er hätte alles gegeben, um jetzt bei ihr sein zu können, um ihr Haar zu zerwühlen und zu sehen, wie sie dann eine Grimasse schnitt, um zu hören, wie sie mit ihm gemeinsam einen Satz zu Ende sprach.
»Du hast mir das Handgelenk gebrochen, Bastardbengel. «
Jon blickte zu der verdrossenen Stimme auf. Grenn stand über ihn gebeugt, mit dickem Hals und rot im Gesicht, drei seiner Freunde hinter sich. Er kannte Todder, einen kleinen, hässlichen Jungen mit unangenehmer Stimme. Die Rekruten nannten ihn alle nur die Kröte. Die anderen beiden hatte Yoren mit in den Norden gebracht, wie Jon sich erinnerte, Vergewaltiger, die auf den Vier Fingern gefasst worden waren. Ihre Namen hatte er vergessen. Er sprach kaum jemals
mit ihnen, wenn es sich vermeiden ließ. Sie waren brutale Maulhelden, ohne auch nur einen Fingerhut voll Ehrgefühl im Leib.
Jon stand auf. »Ich brech dir auch das andere, wenn du mich nett bittest.« Grenn war sechzehn und einen Kopf größer als Jon. Alle vier waren größer als er, doch machten sie ihm keine Angst. Jeden einzelnen von ihnen hatte er auf dem Hof geschlagen.
»Vielleicht machen wir dich fertig«, sagte einer der Vergewaltiger.
»Versucht es.« Jon griff nach seinem Schwert, doch einer von ihnen packte seinen Arm und drehte ihn auf seinen Rücken.
»Du hast uns schlecht aussehen lassen«, beklagte sich Kröte.
»Ihr habt schon vorher schlecht ausgesehen«, erklärte Jon. Der Junge, der seinen Arm hielt, drückte ihn fest nach oben. Schmerz durchfuhr ihn, aber Jon wollte nicht schreien.
Kröte trat heran. »Der kleine Lord hat ein großes Maul«, sagte er. Er hatte kleine, glänzende Schweinsaugen. »Ist es das Maul deiner Mutter, Bastard? Was war sie, irgendeine Hure? Sag uns ihren Namen. Vielleicht habe ich sie ein, zwei Mal gehabt.« Er lachte.
Jon wand sich wie ein Aal und trat mit dem Absatz auf den Spann des Jungen, der ihn hielt. Der stieß plötzlich einen Schrei aus, und er war frei. Er stürzte sich auf Kröte, stieß ihn rückwärts über eine Bank, landete auf seiner Brust, mit beiden Händen an seiner Kehle, und schlug seinen Kopf auf die hart gefrorene Erde.
Die beiden von den Vier Fingern rissen ihn herunter, warfen ihn grob zu Boden. Grenn fing an, auf ihn einzutreten. Jon wälzte sich zur
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