Das Lied von Eis und Feuer 1 - Die Herren von Winterfell
Sonnenuntergang verließen sie die Burg gemeinsam und gingen zu dieser entsetzlichen Bruchbude, in der Ihr wohnt. Sie sind noch dort, trinken im Schankraum, warten auf Eure Rückkehr. Ser Rodrik war sehr besorgt, als er feststellte, dass Ihr fort wart.«
»Wie könnt Ihr das alles wissen?«
»Das Geflüster kleiner Vögel«, antwortete Varys lächelnd. »Ich weiß manches, Verehrteste. Das ist der Sinn meiner Dienste.« Er zuckte mit den Achseln. »Ihr habt doch einen Dolch bei Euch, ja?«
Catelyn zog ihn unter ihrem Umhang hervor und warf ihn vor ihm auf den Tisch. »Hier. Vielleicht flüstern Euch die kleinen Vögel den Namen des Mannes zu, dem er gehört.«
Varys hob das Messer mit übertriebenem Zartgefühl an und strich mit dem Daumen an der Klinge entlang. Blut quoll hervor, und er stieß einen Schrei aus und ließ den Dolch auf die Tischplatte fallen.
»Vorsicht«, warnte Catelyn, »er ist scharf.«
»Nichts hat eine Schneide wie valyrischer Stahl«, sagte Kleinfinger, während Varys an seinem blutenden Daumen sog und Catelyn mit stiller Drohung anblickte. Kleinfinger hielt das Messer lose in der Hand, prüfte den Griff. Er warf es in die Luft, fing es mit der anderen Hand auf. »Welch wunderbare Balance. Ihr wollt den Besitzer finden, ist das der Grund für diesen Besuch? Dafür braucht Ihr Ser Aron nicht. Ihr hättet zu mir kommen sollen.«
»Und wenn ich es getan hätte«, sagte sie, »was hättet Ihr mir erklärt?«
»Ich hätte Euch erklärt, dass es nur ein solches Messer in Königsmund gibt.« Er hielt die Klinge zwischen Daumen und Zeigefinger, hob sie über seine Schulter und warf sie mit geübtem Dreh aus dem Handgelenk durchs Zimmer. Sie traf die Tür und bohrte sich zitternd tief in die Eiche. »Es gehört mir.«
»Euch?« Es ergab keinen Sinn. Petyr war nicht in Winterfell gewesen.
»Bis zum Turnier an Prinz Joffreys Namenstag«, sagte er und durchmaß das Zimmer, um den Dolch aus dem Holz zu ziehen. »Ich habe Ser Jaime beim Kampf unterstützt, gemeinsam mit dem halben Hofstaat.« Mit seinem schüchternen Lächeln sah Petyr halbwegs wieder wie ein Junge aus. »Als Loras Tyrell ihn aus dem Sattel hob, wurde mancher von uns um einiges ärmer. Ser Jaime verlor einhundert Golddrachen, die Königin verlor eine Smaragdkette, und ich verlor mein Messer. Ihre Majestät bekam den Smaragd zurück, doch den Rest hat der Gewinner einbehalten.«
»Wer?« , forderte Catelyn zu wissen, und ihr Mund war trocken vor Angst. Ihre Finger brannten vom Schmerz in ihrer Erinnerung.
»Der Gnom«, sagte Kleinfinger, während Lord Varys ihr Gesicht im Auge behielt. »Tyrion Lennister.«
JON
Das Klirren von Schwertern erfüllte den Burghof.
Unter schwarzer Wolle, dickem Leder und Kettenhemd tropfte der Schweiß eisig an Jons Brust herab, als er zum Angriff überging. Grenn taumelte rückwärts, verteidigte sich unbeholfen. Als er sein Schwert anhob, ging Jon mit einem ausladenden Hieb darunter weg, mit dem er das Bein des anderen Jungen an der Rückseite traf und ihn ins Stolpern brachte. Grenns Abwärtshieb wurde mit einem hohen Schwinger beantwortet, der seinen Helm verbeulte. Als er einen Seitenhieb versuchte, schlug Jon seine Klinge beiseite und rammte ihm einen kettenbehängten Unterarm an die Brust. Grenn verlor den Halt und setzte sich hart in den Schnee. Mit einem Hieb aufs Handgelenk, der einen Schmerzensschrei auslöste, schlug er ihm das Schwert aus den Fingern.
»Genug!« Ser Allisar Thorn besaß eine Stimme von der Schärfe valyrischen Stahls.
Grenn hielt seine Hand. »Der Bastard hat mir das Handgelenk gebrochen.«
»Der Bastard hat deine Achillessehne durchtrennt, deinen leeren Schädel aufgeschlagen und dir die Hand abgehackt. Oder hätte es zumindest, wenn diese Schwerter scharfe Klingen wären. Dein Glück ist, dass die Wache Stalljungen ebenso benötigt wie Grenzposten.« Ser Allisar winkte Jeren und Kröte. »Schafft den Auerochsen auf die Füße, er muss sich um seine Beerdigung kümmern.«
Jon nahm seinen Helm ab, während die anderen Jungen Grenn auf die Beine halfen. Die frostige Morgenluft fühlte sich gut im Gesicht an. Er stützte sich auf sein Schwert,
holte tief Luft und genoss nur einen Augenblick lang seinen Sieg.
»Das ist ein Langschwert, kein Stock für einen alten Mann«, fuhr ihn Ser Allisar scharf an. »Schmerzen Eure Beine, Lord Schnee?«
Jon hasste diesen Spottnamen, den Ser Allisar ihm am ersten Tag seiner Ausbildung gegeben hatte. Die Jungen hatten ihn
Weitere Kostenlose Bücher