Das Lied von Eis und Feuer 6 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 6 - A Storm of Swords. Book Three of A Song of Ice and Fire (2)
Blicke zuwarf, wenn ihre Hauptmänner sich bei ihr zum Rat versammelten, und manchmal erinnerte sie sich nachts daran, wie sein Goldzahn glitzerte, wenn er lächelte. Daran und an seine Augen. Seine leuchtend blauen Augen. Auf der Straße von Yunkai
nach Meereen hatte Daario ihr jeden Abend, wenn er ihr Bericht erstattet hatte, eine Blume, einen Ableger oder irgendeine Pflanze mitgebracht … um ihr zu helfen, das Land besser kennen zu lernen, sagte er. Wespenweide, Dämmerrosen, wilde Minze, Damenspitze, Dolchblatt, Besenginster, Stachelkraut, Harpyiengold … Auch den Anblick der toten Kinder wollte er mir ersparen. Das hätte er nicht tun sollen, aber er hatte es nur gut gemeint. Und Daario Naharis brachte sie zum Lachen, was Ser Jorah niemals gelang.
Dany versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, wenn sie Daario erlaubte, sie so zu küssen, wie Jorah es auf dem Schiff getan hatte. Der Gedanke war zugleich erregend und beunruhigend. Das Risiko ist zu groß. Der Söldner aus Tyrosh war kein guter Mann, das brauchte ihr niemand zu sagen. Hinter dem Lächeln und dem Scherzen lauerte Gefahr, sogar Grausamkeit. Sallor und Prendahl waren morgens als seine Gefährten aufgewacht, und abends hatte er ihr ihre Köpfe überbracht. Khal Drogo konnte ebenfalls grausam sein, und kein Mann hat je größere Gefahr verkörpert. Trotzdem hatte sie ihre Liebe für ihn entdeckt. Könnte ich Daario lieben? Was würde es bedeuten, wenn ich ihn in mein Bett holte? Würde ihn das zu einem der Drachenköpfe machen? Ser Jorah wäre wütend, das wusste sie, aber er hatte selbst gesagt, sie müsse zwei Ehemänner nehmen. Vielleicht sollte ich sie beide heiraten und es damit gut sein lassen.
Doch das alles waren dumme Hirngespinste. Sie musste eine Stadt einnehmen, und Träume von Küssen und von den blauen Augen irgendeines Söldners brachen keine Bresche in die Mauern von Meereen. Ich bin das Blut des Drachen, mahnte sich Dany. Ihre Gedanken drehten sich im Kreis wie eine Ratte, die ihrem eigenen Schwanz hinterherjagt. Plötzlich hielt sie die Enge ihres Pavillons nicht mehr aus. Ich will den Wind auf meinem Gesicht spüren und das Meer riechen. »Missandei«, rief sie, »lass meine Silberne satteln! Und dein Pferd ebenfalls. «
Die kleine Schreiberin verneigte sich. »Wie Euer Gnaden
befiehlt. Soll ich die Blutreiter holen, damit sie Euch beschützen? «
»Wir nehmen Arstan mit. Ich habe nicht vor, das Lager zu verlassen.« Unter ihren Kindern hatte sie keine Feinde. Der alte Knappe würde nicht so viel reden wie Belwas und sie nicht so anstarren wie Daario.
Der verbrannte Olivenhain, in dem sie ihren Pavillon hatte errichten lassen, stand am Strand zwischen dem Lager der Dothraki und dem der Unbefleckten. Nachdem die Pferde gesattelt waren, brachen Dany und ihre Begleiter auf und ritten in die der Stadt entgegengesetzte Richtung die Küste hinauf. Obwohl Dany die Mauern nicht sah, spürte sie Meereen im Nacken, spürte seinen Spott. Als sie über die Schulter blickte, lag die Stadt da, und die Nachmittagssonne glänzte auf der Bronzeharpyie auf der Großen Pyramide. Hinter den Mauern würden die Sklavenhändler sich in ihren gesäumten Tokars zurücklehnen und ein Festmahl aus Lamm und Oliven, ungeborenen Welpen, mit Honig gesüßten Haselmäusen und anderen Köstlichkeiten abhalten, während ihre Kinder hier draußen darbten. Wilder Zorn erfüllte sie plötzlich. Ich werde euch besiegen, schwor sie.
Während sie an den Palisaden und Gräben vorbeiritt, die das Lager der Eunuchen umgaben, hörte Dany Grauer Wurm und seine Feldwebel, die eine Kompanie mit Schild, Kurzschwert und schwerem Speer drillten. Eine andere Kompanie badete, nur mit leinenen Lendenschurzen bekleidet, im Meer. Die Eunuchen hielten sehr auf Reinlichkeit, das war ihr bereits aufgefallen. Manche der Söldner stanken, als hätten sie sich nicht mehr gewaschen oder die Kleider gewechselt, seit ihr Vater den Eisernen Thron verloren hatte, die Unbefleckten dagegen badeten jeden Abend, selbst wenn sie den ganzen Tag marschiert waren. Stand ihnen kein Wasser zur Verfügung, benutzten sie Sand, wie es die Dothraki taten.
Die Eunuchen knieten nieder, als sie vorbeiritt, und legten die Fäuste auf die Brust. Dany erwiderte den Salut. Die Flut
wälzte sich heran, und die Brandung schäumte um die Hufe ihrer Silbernen. Draußen auf dem Meer sah sie ihre Schiffe. Die Balerion lag dem Ufer am nächsten, die Segel der großen Kogge, die einst Saduleon geheißen hatte, waren
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