Das Lied von Eis und Feuer 6 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 6 - A Storm of Swords. Book Three of A Song of Ice and Fire (2)
dachte er, und wenn die Arbeit dieses Tages getan ist, wird auf meinem Namen auf ewig ein Schatten liegen.
Bastarde wurden aus Lust und Lügen gezeugt, hieß es, deshalb waren sie von Natur aus wollüstig und heimtückisch. Einst hatte Jon ihnen das Gegenteil beweisen, seinem Hohen Vater zeigen wollen, dass er ein ebenso guter und treuer Sohn sein könnte wie Robb. Das habe ich gründlich verpfuscht. Robb war zu einem heldenhaften König geworden; wenn man sich dagegen überhaupt an Jon erinnern würde, dann als Eidbrüchigen, Abtrünnigen und Mörder. Wenigstens lebte Lord Eddard nicht mehr, um seine Schande miterleben zu müssen.
Ich hätte mit Ygritte in dieser Höhle bleiben sollen. Falls es ein Leben nach diesem gab, konnte er ihr das hoffentlich sagen.
Natürlich wird sie mir das Gesicht zerkratzen wie dieser Adler und mich einen Feigling nennen, aber trotzdem werde ich es ihr sagen. Er ballte seine Schwerthand zur Faust, wie Maester Aemon es ihm gezeigt hatte. Diese Angewohnheit war ein Teil von ihm geworden, und er würde gelenkige Finger brauchen, wenn er auch nur eine winzige Chance haben wollte, Manke Rayder zu ermorden.
Heute Morgen hatten sie ihn herausgeholt, nach vier Tagen im Eis, in einer Zelle von anderthalb mal anderthalb mal anderthalb Meter Größe, zu niedrig, um aufrecht zu stehen, zu eng, um sich auf dem Rücken auszustrecken. Die Kämmerer hatten schon vor langer Zeit entdeckt, dass sich Vorräte und Fleisch in jenen eisigen Vorratsräumen, die aus dem Fundament der Mauer geschlagen waren, länger hielten … Gefangene allerdings nicht. »Hier drin wirst du sterben, Lord Schnee«, hatte Ser Allisar zu ihm gesagt, kurz bevor er die schwere Holztür schloss, und Jon hatte ihm geglaubt. Aber heute Morgen waren sie gekommen und hatten ihn wieder herausgeholt, hatten ihn verkrampft und frierend wieder zum Königsturm geführt, wo er abermals vor dem hängebackigen Janos Slynt stand.
»Dieser alte Maester sagt, ich dürfe dich nicht aufhängen«, verkündete Slynt. »Er hat an Cotter Peik geschrieben und hatte sogar die verfluchte Frechheit, mir den Brief zu zeigen. Du seist kein Abtrünniger, behauptet er.«
»Aemon hat schon zu lange gelebt, Mylord«, versicherte Ser Allisar ihm. »Sein Verstand hat ihn ebenso verlassen wie sein Augenlicht.«
»Ja«, erwiderte Janos Slynt. »Ein blinder Mann mit einer Kette um den Hals, wer glaubt er denn, wer er ist?«
Aemon Targaryen, dachte Jon, Sohn eines Königs und Bruder eines Königs und ein Mann, der König hätte werden können . Doch er sagte nichts.
»Dennoch«, fuhr Slynt fort, »wird sich Janos Slynt nicht nachsagen lassen, er habe einen Mann ungerechtfertigterweise
gehängt. Nein. Daher habe ich entschieden, dir noch eine Gelegenheit zu geben, deine Treue zu beweisen, Lord Schnee. Eine letzte Gelegenheit, deine Pflicht zu tun, ja!« Er erhob sich. »Manke Rayder will mit uns verhandeln. Er weiß, dass er jetzt, nachdem Janos Slynt eingetroffen ist, keine Chance mehr hat, deshalb will er reden, dieser König-jenseits-der-Mauer. Aber der Mann ist ein Feigling und wagt sich nicht zu uns. Zweifelsohne weiß er, dass ich ihn hängen lassen würde. Ihn an den Füßen ganz oben von der Mauer baumeln lassen würde, an einem sechzig Meter langen Seil! Nur leider kommt er nicht. Er fordert uns auf, einen Gesandten zu schicken.«
»Wir schicken dich, Lord Schnee.« Ser Allisar lächelte.
»Mich.« Jons Stimme war tonlos. »Wieso mich?«
»Du bist mit diesen Wildlingen geritten«, sagte Thorn. »Manke Rayder kennt dich. Er wird eher geneigt sein, dir zu vertrauen.«
Das war so dumm, dass Jon darüber am liebsten gelacht hätte. »Ihr habt nicht richtig verstanden. Manke hat mich von Anfang an verdächtigt. Wenn ich in einem schwarzen Mantel in seinem Lager auftauche und im Namen der Nachtwache spreche, weiß er, dass ich ihn verraten habe.«
»Er hat um einen Gesandten gebeten, und wir schicken ihm einen«, sagte Slynt. »Wenn du zu feige bist, diesem abtrünnigen König gegenüberzutreten, können wir dich wieder in die Eiszelle schaffen. Diesmal ohne Felle, denke ich. Ja.«
»Das wird nicht notwendig sein, Mylord«, meinte Ser Allisar. »Lord Schnee wird tun, was wir verlangen. Schließlich möchte er uns zeigen, dass er kein Abtrünniger ist. Er möchte seine Treue zur Nachtwache unter Beweis stellen.«
Thorn war der weitaus Klügere von den beiden, erkannte Jon, die ganze Sache roch nach ihm. Er saß in der Falle. »Ich werde gehen«,
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