Das Lied von Eis und Feuer 6 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 6 - A Storm of Swords. Book Three of A Song of Ice and Fire (2)
Wiedergänger hatten sie umzingelt. Es waren ein Dutzend, zwei Dutzend, noch mehr … einige waren einmal Wildlinge gewesen und trugen noch immer Häute und Felle … die meisten hingegen hatten der Nachtwache angehört. Sam sah Lark von den Drei Schwestern, Leisefuß, Ryl. Das Geschwür auf Chetts Hals war schwarz, die Furunkel waren mit einer dünnen Schicht Eis bedeckt. Und der da sah aus wie Hake, obwohl es nicht leicht war, ihn zu erkennen, da ihm der halbe Kopf fehlte. Das arme Pferd hatten sie in Stücke gerissen, und jetzt zerrten sie mit tropfenden roten Händen die Gedärme hervor. Heller Dampf entwich dem offenen Bauch.
Sam gab einen kläglichen Laut von sich. »Das ist wirklich eine Gemeinheit.«
»Gemeinheit.« Der Rabe landete auf seiner Schulter. »Gemeinheit, weit, Leid.« Er flatterte mit den Flügeln und kreischte zusammen mit Goldy. Die Wiedergänger hatten sie fast erreicht. Er hörte das Rascheln des dunkelroten Wehrholzbaumlaubs, das in einer Sprache wisperte, die er nicht verstand. Das Sternenlicht selbst schien sich zu bewegen, und um sie herum ächzten und knarrten die Bäume. Sam Tarlys Gesicht nahm die Farbe von geronnener Milch an, und seine Augen wurden groß wie Teller. Raben! Sie saßen zu Hunderten im Wehrholzbaum, zu Tausenden, hockten auf den knochenweißen Ästen zwischen Blättern. Er sah, wie sich ihre Schnäbel öffneten, als sie schrien und wie sie die schwarzen Schwingen ausbreiteten. Kreischend und flatternd gingen sie in einer zornigen Wolke auf die Wiedergänger nieder. Sie umschwärmten Chetts Gesicht und pickten ihm in die blauen Augen, sie bedeckten den Mann von den Drei Schwestern wie Fliegen, sie zupften Fleischstücke aus Hakes zerschmettertem Schädel. Es waren so viele, dass Sam nicht einmal mehr den Mond sehen konnte, als er nach oben blickte.
»Los«, sagte der Vogel auf seiner Schulter. »Los, los, los.«
Sam rannte los, und frostige Dampfwölkchen quollen aus seinem Mund hervor. Um ihn herum schlugen die Wiedergänger nach den schwarzen Flügeln und scharfen Schnäbeln, und fielen in gespenstischer Stille, ohne auch nur einmal zu stöhnen oder zu schreien. Sam dagegen ignorierten die Raben. Er nahm Goldy bei der Hand und zog sie von dem Wehrholzbaum fort. »Wir müssen weg.«
»Aber wohin?« Goldy lief hinter ihm her und hielt ihr Kind fest umklammert. »Sie haben unser Pferd getötet, wie sollen wir …«
»Bruder!« Der Ruf gellte durch die Nacht und war selbst beim Gekreisch Tausender Raben zu hören. Unter den Bäumen saß ein Mann, der von Kopf bis Fuß in fleckiges Schwarz
und Grau gehüllt war, rittlings auf einem Elch. »Hierher!«, rief der Reiter. Eine Kapuze verbarg sein Gesicht.
Er trägt Schwarz. Sam drängte Goldy auf ihn zu. Der Elch war riesig, an der Schulter fast anderthalb Meter hoch, und sein Geweih war beinahe genauso breit. Das Tier sank auf die Knie, um sie aufsteigen zu lassen. »Hierher«, sagte der Reiter und streckte Goldy die behandschuhte Hand entgegen, um sie hinaufzuziehen, damit sie sich hinter ihn setzen konnte. Dann war Sam an der Reihe. »Meinen Dank«, stieß er hervor. Erst als er die angebotene Hand ergriff, sah er, dass der Reiter keine Handschuhe trug. Seine Hand war schwarz und kalt, die Finger waren hart wie Stein.
ARYA
Als sie oben auf dem Grat anlangten und den Fluss sahen, zügelte Sandor Clegane das Pferd hart und fluchte.
Der Regen fiel aus einem schwarzen, bleiernen Himmel und stach mit zehntausend Schwertspitzen auf den grünbraunen Strom ein. Er muss eine Meile breit sein, dachte Arya. Die Wipfel eines halben Hunderts Bäume ragten aus dem strudelnden Wasser und reckten ihre Äste dem Himmel entgegen wie Ertrinkende. Nasses Laub bedeckte in dicken Schichten das Ufer, und draußen auf dem Wasser entdeckte sie etwas Helles, Aufgequollenes, einen Hirsch vielleicht oder ein totes Pferd, das rasch flussabwärts geschwemmt wurde. Außerdem nahm sie auch ein Geräusch wahr, ein leises Grummeln, gerade noch hörbar, wie es ein Hund von sich gibt, kurz bevor er richtig zu knurren beginnt.
Arya rutschte im Sattel hin und her und spürte die Glieder des Kettenhemds, die sich in ihren Rücken gruben. Der Bluthund hielt sie mit den Armen umschlungen, links mit dem verbrannten, den er zum Schutz mit einer Armberge bedeckt hatte, doch sie hatte die Wunde beim An- und Ausziehen gesehen, und das Fleisch war noch immer entzündet und nässte. Doch wenn die Verbrennungen Sandor Clegane Schmerzen bereiteten, ließ er sich
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