Das Lied von Eis und Feuer 7 - Martin, G: Lied von Eis und Feuer 7 - A Feast of Crows. A Song of Ice and Fire, vol 4 (4/1)
Mädchen, das durch Westeros irrt. Sie ertappte sich bei der Frage, ob Jaime sich einen grausamen Scherz erlaubt hatte, als er ihr diesen Auftrag erteilte. Vielleicht war Sansa Stark tot, enthauptet für ihren Anteil an König Joffreys Tod, und lag in einem Grab ohne Stein. Wie hätte man den Mord an ihr besser verschleiern können, als das große dumme Mädel von Tarth auf die Suche nach ihr zu schicken?
Jaime würde das nicht tun. Er war aufrichtig. Er hat mir das Schwert gegeben, und er nannte es Eidwahrer. Im Übrigen machte es keinen Unterschied. Sie hatte Lady Catelyn versprochen, dass sie ihre Töchter zurückholen würde, und kein Versprechen war so heilig wie das einer Toten gegenüber. Die jüngere Schwester lebte längst nicht mehr, hatte Jaime behauptet; bei der Arya, welche die Lennisters nach Norden geschickt hatten, um sie mit Roose Boltons Bastard zu vermählen, handelte es sich um einen Schwindel. Blieb also nur Sansa. Brienne musste sie finden.
Bei Einbruch der Dunkelheit entdeckte sie ein Lagerfeuer an einem Bach. Zwei Männer saßen dort und brieten Forellen; Rüstung und Waffen hatten sie an einen Baum gelehnt. Einer war alt, der andere etwas jünger, jedoch bei weitem nicht mehr jung. Der nicht ganz so alte erhob sich und begrüßte sie. Sein mächtiger Bauch spannte die Bänder seines gesprenkelten Rehlederwamses. Ein struppiger, ungeschnittener Bart bedeckte Kinn und Wangen in der Farbe von altem Gold. »Wir haben Forellen genug für drei, Ser«, rief er.
Nicht zum ersten Mal wurde Brienne irrtümlich für einen Mann gehalten. Sie nahm ihren Topfhelm ab und schüttelte ihr Haar aus. Es war gelb wie schmutziges Stroh und fast ebenso
spröde. Lang und dünn wehte es ihr um die Schultern. »Ich danke Euch, Ser.«
Der Heckenritter blinzelte sie ernsthaft an; offensichtlich war er, wie sie nun begriff, kurzsichtig. »Eine Lady, wie? Bewaffnet und in Rüstung? Illy, bei den guten Göttern, sieh dir an, wie groß sie ist.«
»Ich habe sie auch für einen Ritter gehalten«, meinte der Ältere und wendete die Forellen.
Wäre Brienne ein Mann gewesen, hätte man sie als groß bezeichnet; für eine Frau war sie riesig. Absonderlich war das Wort, das sie ihr ganzes Leben lang gehört hatte. Sie hatte breite Schultern und noch breitere Hüften. Ihre Beine waren lang, ihre Arme dick. Ihre Brust bestand mehr aus Muskeln als aus Busen. Die Hände waren groß, die Füße gewaltig. Und zudem war sie auch noch hässlich, hatte ein sommersprossiges Pferdegesicht und Zähne, die zu groß für ihren Mund zu sein schienen. An nichts davon brauchte man sie zu erinnern. »Sers«, sagte sie, »habt Ihr eine Jungfrau von dreizehn Jahren auf der Straße gesehen? Mit blauen Augen und kastanienbraunem Haar, vielleicht in Gesellschaft eines beleibten, rotgesichtigen Mannes um die vierzig.«
Der kurzsichtige Heckenritter kratzte sich am Kopf. »Ich kann mich nicht entsinnen. Wie sieht kastanienbraun aus?«
»Rötlich braun«, warf der Ältere ein. »Nein, wir haben sie nicht gesehen.«
»Wir haben sie nicht gesehen, M’lady«, erklärte der Jüngere ihr. »Kommt, steigt ab, der Fisch ist fast gar. Habt Ihr Hunger?«
Hunger hatte sie, doch war Vorsicht geboten. Heckenritter hatten einen zweifelhaften Ruf. »Ein Heckenritter und ein Raubritter sind zwei Seiten des gleichen Schwerts«, hieß es. Diese beiden sehen nicht allzu gefährlich aus. »Dürfte ich Eure Namen erfahren, Sers?«
»Ich habe die Ehre, Ser Crehan Langzweig zu sein, von dem die Sänger Lieder singen«, verkündete der Dickbauch. »Ihr
habt vielleicht von meinen Heldentaten am Schwarzwasser vernommen. Mein Gefährte ist Ser Illifer der Mittellose.«
Falls es tatsächlich ein Lied über Crehan Langzweig gab, hatte Brienne es nie gehört. Die Namen sagten ihr nicht mehr als die Wappen. Ser Crehans grüner Schild zeigte lediglich ein braunes Schildhaupt und eine tiefe Furche, die von einer Streitaxt stammen mochte. Ser Illifers Wappen bestand aus geständertem Gold und Hermelin, allerdings deutete alles andere an dem Mann darauf hin, dass er Gold und Hermelin nie in anderer Form als gemalt zu sehen bekommen hatte. Er war mindestens sechzig und hatte ein spitzes, schmales Gesicht, das unter der Kapuze des geflickten Mantels aus grober Wolle hervorschaute. Seinen Kettenpanzer sprenkelten Rostflecken wie Sommersprossen. Brienne war einen Kopf größer als beide, hatte ein besseres Pferd und bessere Waffen. Wenn ich mich vor solchen Kerlen fürchte, kann
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