Das Lied von Schnee & Liebe (The Empires of Stones, Band 2) (German Edition)
schrieb zurück.
Bevor sie noch etwas ändern konnte, faltete sie den Zettel zusammen, schob ihn in die Mitte des Labyrinths. Nur eine Sekunde später verschwand er.
Anevay saß da, runzelte verdattert die Stirn. Sie griff schnell in das Geflecht aus Symbolen, doch der Brief war längst fort.
›So eine verdammte … Was hatte sie nur getan?‹
Sie war keine Poetin. Sie hatte nur ›… was hatte sie da eigentlich geschrieben? Oh, Himmel.‹
Scham überkam sie. Sie schüttelte hilflos den Kopf, wollte alles rückgängig machen. Doch das ging nicht mehr. Ihr Kopf sauste.
Dann kam eine Antwort.
Die Haube schloss sich wieder, ein Zettel erschien. A riss ihn fast auseinander.
Dort stand nur eine Zeile:
Mein Name ist Robert.
Anevay lachte haltlos, lautlos. Erleichtert oder nicht, es war egal. Alles war egal. Zumindest für den Moment.
Sie legte ihren Kopf auf den Kompass und fühlte sich geborgen. Auch wenn es nur kurz war.
Ab jetzt war sie nicht mehr allein. Jedenfalls fühlte es sich so an. Der Kompass hing um ihren Hals, der Brief war an ihrem Brustbein, mehr aber seine Worte. Manchmal glaubte Anevay, die Tinte würde durch ihre Poren in sie sickern, so nah fühlte es sich an. Das Gefühl machte ihr Angst.
Jeden Tag ging sie mit auf Tour. Nick der Schmale hatte den kleinen Bastardhund mit Shampoo gewaschen und ihm ein Halsband gekauft. Ab sofort waren die beiden unzertrennlich. Er hieß nun Pepper.
Drei Mal musste A ihre Schnelligkeit einsetzen und einen armen Kerl zu Fall bringen, der mit Leonardos Dollars das Weite suchen wollte. Einmal lief sie durch eine Straße, auf der die Mülltonnen für den nächsten Tag schon hinausgestellt worden waren. Der Mann war schnell wie ein Hase. Im Lauf kickte Anevay den Deckel einer Tonne hoch, fing ihn in der Luft und benutzte ihn als Diskus, der dem Kerl dann in die Beine sauste. Dozer und Nick sammelten ihn auf, es wurde gejammert, gebetet, geflucht, wie immer. Doch am Ende bekamen sie ihr Geld, meistens. Was mit den Leuten passierte, die nicht zahlen konnten, wollte A nicht wissen.
Wenn sie essen gingen in ein Diner oder sie einfach vor einer Imbissbude Halt machten, beglich Dozer die Rechnung. Eine Abends sprach sie Leonardo darauf an. Sie wollte eigenes Geld. Was sie denn damit wolle, fragte er misstrauisch. Sie arbeite, also stehe ihr Lohn zu, sei es nicht normalerweise so? Ja, so war das normalerweise. A grinste. Beweisführung abgeschlossen. Szuda sah sie eindringlich an, hinter seinem protzigen Schreibtisch.
»Würdest du gern mehr Geld verdienen, Nove?« A mochte den Namen nicht, aber so war es eben. Sie nickte. Geld konnte man in den Kolonien nie genug haben. Vielleicht würde sie es einmal brauchen, man konnte nie wissen.
» Nick der Schmale sagte mir, dass du verdammt flink bist, und er hat ein Auge dafür, glaub mir.« Szuda bildete mit seinen Fingern ein Zelt, als habe er etwas fürchterlich Wichtiges gesagt. Zum ersten Mal fand sie seine Geste aufgesetzt. Wie die der Schauspieler unten in der Kantine, wenn sie übten.
»Gut, wir werden sehen, ob du das Herz dafür hast.«
A verstand nicht, aber eine innere Stimme sagte ihr, dass dies kein Job in einem Häkelkreis sein würde. Sie roch Blut in den Worten. Sie kniff die Augen zusammen, suchte nach einer Falle. Sie fand nur Gier, die war meistens ehrlich. Wieder nickte sie.
Es war eine belanglose Straße unter einem grauen Himmel, der noch immer Schnee fallen ließ. Mittlerweile sah New York aus, als würde es sich ducken. Die freigeschaufelten Gehwege häuften Kämme aus Schnee, die freigelegten Straßen taten dies ebenfalls, so lief man immerzu durch kleine Schluchten aus kaltem Weiß. A gefiel das nicht, es hatte etwas von einem Wink der Götter. Vielleicht hatte sie aber auch zu viel über den Nordischen Feuerbund gelesen. Immer tiefer sank sie in Roberts Worte, es faszinierte sie, wie verschieden und doch gleichartig sie beide waren. Jede Nacht holte sie den Brief hervor, las ihn, obwohl sie jeden Buchstaben davon kannte. Sie mochte seine Schrift, die Art, wie er schrieb. Etwas war darin verborgen. Noch hatte sie nicht auf seinen Namen reagiert. Sie wollte nicht nochmals den Fehler begehen und zu schnell antworten, sie wollte ihn …, ja, was wollte sie denn?
Natürlich hatte sie sich Gedanken gemacht. Das tat sie immerzu, auch wenn es nicht danach aussah. Die fast vollkommene Schrift ließ eine Schulbildung als Verursacher zu. Nur jahrelange Übung brachte eine solche Schreibe
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