Das Lied von Schnee & Liebe (The Empires of Stones, Band 2) (German Edition)
zustande, etwas, das man von klein auf gelernt hatte. Die recht poetische Sprache ließ auf Bildung schließen oder auch einen nicht geringen Hang zum geschrieben Wort allgemein. Der Mann, Robert, konnte sich ausdrücken. Dann noch sein Name: Robert! Das schloss gewisse Länder des doch recht umfangreichen Nordischen Feuerbundes aus. Wenn die sich denn an ihre jeweiligen Traditionen bei der Namensgebung hielten. Anevays erster Impuls war England gewesen.
Der Wagen hielt. A blickte auf eine trübe Fassade mit einem verblichenen Schild darüber, auf die zwei rote Boxhandschuhe gemalt waren, dazwischen stand: House of Pain . Sie hob die Augenbrauen. Der Geruch von Blut hatte sie also nicht getäuscht. Leonardo lächelte.
»Hinter diesem recht eindeutigen Schriftzug arbeitet ein Mann namens Voka Tupolev, derjenige, dem du mit Respekt begegnen solltest. Verscherze es dir nicht mit ihm. Und wenn er Talent in dir entdeckt, dann rollt, wie in es in seiner Sprache so schön heißt, bald der Rubel.«
A öffnete die Tür, stieg aus. Kalter Wind fegte durch die Straße. Ohne ein Wort zu sagen, schlug sie die Tür wieder zu, der Wagen fuhr wieder an, verschwand. Sie blickte auf den Spruch zwischen den Boxhandschuhen. Also, wenn das eine Art von böser Eintrittskarte war, dann wusste A nicht, wer diese mehr verdient hatte als sie.
Sie stieg die wenigen Stufen hinauf, dann öffnete sie die verrostete Tür. Ein Schwall von Schweiß, beißender Kräutersalbe, zu lange getragenen Schuhen und verbrauchter Luft wallte ihr entgegen.
Das Gym war ein einziger riesiger Raum, der von eckigen Säulen getragen wurde, die sicher schon bessere Zeiten gesehen hatten. Drei Boxringe waren darin untergebracht, etliche Sandsäcke hingen an langen Ketten von der Decke, ebenso Boxbirnen. In zwei Ringen wurde gekämpft, aber es war nur Training, das erkannte A sofort. Von Schweißflecken durchtränkte Shirts oder glänzenden Scheiß direkt auf harten Muskeln sah sie. Jemand machte Seilhüpfen und blickte sie dabei an, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank. Er trug eine schwarze Stumpfhose, klobige Straßenschuhe und ein Stirnband, das so lächerlich wirkte, als habe er es selbst genäht.
Plötzlich kam alle Aktivität zum Erliegen. Die Männer im Ring hörten auf herumzutändeln, die Sandsäcke schwangen aus, die Boxbirnen verstummten. Wer immer sie noch nicht anstarrte, wurde durch Schultertippen darauf aufmerksam gemacht. Dann herrschte absolute Stille im Haus der Schmerzen .
Anevay verlagerte ihren Ballen nach hinten. Der Kerl in der Strumpfhose würde als erster dran glauben müssen, der Typ mit den feurigen Augen im zweiten Ring ließ die linke Schulter hängen, so als schmerze sie bei schnellen Bewegungen. Ein junger Mann bandagierte sich auf einer Art Tribüne die Hände. Seine Augen waren schlecht, das sah sie selbst von hier. Er hatte einen eingeengten vollen Blickwinkel. Aber er verbarg es mühevoll.
Plötzlich ertönten schwere Schritte auf der Treppe, die zu einem erhöhten Büro mit Glasfront führte. Anevay erkannte einen sicheren Gang, geschmeidige Muskeln und Entschlossenheit, sogar mehr als das. Sie wusste, dies war Voka Tupolev. Das ergraute Haar trog, denn der Mann wirkte wie ein im Stand laufendes Rennautomobil.
»Was die Stille?« Hinter ihm kam ein verkürzter Schatten die Stufen hinab, der sich die Fingernägel offenbar mit einem Zahnstocher säuberte.
Zuerst kam Tupolev um die Kurve der Treppe, das Gesicht angespannt. Er klatschte einmal in die vernarbten Hände, dann begann das Treiben im Gym erneut, als wäre es niemals unterbrochen worden. Die Männer im Ring nahmen wieder ihre Aktivitäten auf, Pratzen wurden geschwenkt, trafen. Das Puffen hallte durch die Halle. Dann sah er A.
Anevay erkannte Gewalt, wenn sie diese sah. Diese hier lag in Ketten, auch wenn die Glieder hauchdünn waren. Der Mann hatte beschlossen etwas anderes zu tun, als das, was er am besten konnte. Ihre Knie wurden ein wenig weich. Das hier war nicht Sweeny oder Fingermann, nicht einmal Jagor, das hier war die Kunst zu töten. Der Kerl war eine Mischung aus einem Bär und einem Schlachtläufer.
»Was?« Tupolev sprach ganz leise, als traue er selbst seiner Stimme nicht über den Weg. Anevay versuchte standhaft zu wirken. Der Brief gab ihr Halt: Doch werde ich einen Weg finden.
›Ich finde ihn.‹
»Leonardo Szuda hat mich hergeschickt. Ich soll lernen zu kämpfen.« Denke ich zumindest, dachte A. »Oder besser, ich soll Geld ver
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