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Das Lied von Schnee & Liebe (The Empires of Stones, Band 2) (German Edition)

Das Lied von Schnee & Liebe (The Empires of Stones, Band 2) (German Edition)

Titel: Das Lied von Schnee & Liebe (The Empires of Stones, Band 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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eines Namens.‹
    Er nahm den Füllfederhalter in die Hand, atmete einmal tief ein. Poe tappte neugierig auf dem Papier herum, schubberte seinen Bauch über das Pergament, stellte die Ohren auf, seine Schnurrhaare vibrierten geschäftig.
    »Was wird das denn, wenn's fertig ist?« Robert lehnte sich zurück. Eine Schneeflocke verirrte sich, fiel auf das Blatt, schmolz. Eine Böe fauchte kurz und zerrte an der aufgeschlagenen Seite des Notizbandes. Doch der Clangeist flitzte ohne ein Wort zurück in Roberts Ärmel. Der Lord schüttelte verwundert den Kopf.
    Er wartete ab, bis die Böe verklang, dann schrieb er, hielt inne, überlegte, fröstelte, setzte an, hielt erneut inne. Ließ alle Vorsicht fallen.
     
    Anevay,
     
    auch wir haben einen Wolf in unseren Sagen. Es ist die wohl schönste und gleichzeitig gefährlichste Geschichte, die mein Volk sich erzählt. Der Name des Wolfes ist Fenrir. Die Götter hatten Angst vor ihm. Ich habe Angst vor meinen Worten.
     Ja, ich bin ein Labyrinthzauberer.
    Ich bin weder fünfzig noch fünfzehn. Zwanzig triff es recht gut.
     So wie du fühle auch ich ein Band zwischen uns, auch wenn es sich für mich wie ein Nebel auf einem weiten Meer anfühlt.
     R.
     
    Als er den Brief abgeschickt hatte, fühlte Robert sich besser, wacher. Plötzlich war es nicht mehr wichtig, wann Anevay schrieb, sondern nur noch, dass sie es tat. Er fühlte sich beschwingt. ›Ja, er hatte das Richtige getan, hoffentlich. Ach, Schluss mit der Schwarzmalerei.‹ Er musste eine Entscheidung treffen. Doch er hatte sie längst erwählt. Er pustete die Kerze aus, ging ins Schlafzimmer, löschte auch dort das Licht, hangelte sich über den Balkon in den Garten hinab. Es wurde Zeit, ein anderer zu sein.
    Oben im zehnten Stock des Wallhall wurde ein zweites Ich geboren. Robert saß da und starrte den Seemannsmantel an, den Dreispitz, das Tuch. Es war eine Verkleidung, nicht mehr, oder doch? Eine neue Identität. Eine Brücke in ein neues, lebendiges Leben.
    Er stand auf, trat an den Garderobenständer. ›Wer bist du?‹, fragte er lautlos. ›Nein, wer willst du sein?‹
    Er streifte den Mantel über, zog das Tuch über Mund und Nase, setzte den Hut auf. Der Spiegel reflektierte einen Mann, der wusste, was zu tun war, er strotzte vor Entschlossenheit. Er sah gefährlich aus, verwegen, verrückt. Da war kein Lord oder der Name Humberstone mehr zu erkennen, nur noch ein Bild, düster und zu allem bereit. Robert legte das Holster an. Die Riemen aus DaVinci-Leder passten wie angegossen. Der Sieben-Kammern-Revolver schmiegte sich an seinen Rücken, als wolle er nur dort versteckt sein. Der Lord zog theatralisch die Waffe, den Lauf auf das Spiegelbild gerichtet. Es wirkte recht überzeugend. Gar nicht mal so übel. Da musste aber noch ein wenig mehr Krawumm her. Ein Aha-Effekt. Etwas, das Eindruck machte, oder besser: heillosen Schrecken auslöste. Eine Gestalt, die man auch noch nach einem Dutzend Humpen voller Bier beschreiben konnte.
    ›Bei den Göttern, er war wirklich hier, Herr Polizist, The Night Captain , ich schwöre es bei meinen Kindern!‹ So in etwa. Mit ganz viel Zittern in der Stimme.
    Robert dachte bereits darüber nach.
    Es sind nur Namen, die wir annehmen. Aber es sind unsere Herzen, die diese zu einem Bild werden lassen. Und daraus kannst du nie wieder entkommen!
    ›Verdammt noch eins.‹
    Robert betrachtete den Captain im Spiegel. Er dachte an den Nebel, der immerzu in Hammaburg wog. An die Straßen Londons. Er dachte an eine mondlose Nacht ohne Sterne. Und dann kam ihm die Idee. Sie war gruselig und sie war genial.
    Er arbeitete wie ein Getriebener. Trennte Nähte auf, zog dünne, biegsame Glasdrähte, die zuhauf in seinen Koffern lagen, in die Zwischenräume und fügte alles wieder zusammen. Erst die Konturen, dann den Rest. Ebenso verfuhr er mit dem Dreispitz. Kragen, Schulterklappen, Querstreben, Mantelsäume, die Ärmel.
    Bei dem Tuch hielt er inne. ›Sah er damit nicht wie ein gewöhnlicher Straßenräuber aus? Das Tuch musste mehr Dramatik bekommen, nur wie?‹ Er zeichnete, verwarf, zeichnete erneut. ›Was machte den Menschen Angst oder besser, wovor hatten sie Respekt?‹ Stumm blickte er sich in seinem Zimmer um. Doch da war nichts, das ihm half. Da fiel sein Blick auf die Zeitung vom Vortag. Einige Spalten waren ausschließlich für die neuesten Nachrichten aus dem Nordischen Feuerbund reserviert. Damit dies auch jedermann erkannte, war darüber die Insignie des Bundes gedruckt: Der

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