Das Lied von Schnee & Liebe (The Empires of Stones, Band 2) (German Edition)
wichtigere Dinge zu tun, wie zum Beispiel zu husten oder die Plakate zu bewundern. Dann entdeckte er A, die ihn angrinste, weil er in dem Smoking so fabelhaft irrwitzig ausschaute.
»Süße, was stehst du denn da frierend im Schnee herum, komm her.« Seinem dröhnenden Bass folgten etliche Köpfe, die sich herumdrehten. Gar nicht gut. Ungut. Neuerdings nannte Nick der Schmale Anevay Süße , aber man ließ einem Mann, der nur aus Muskeln bestand und einen Ziegelstein an seiner Stirn zertrümmern konnte, jeden Spitznamen durchgehen.
Sie packte Nathaniel am Arm und scherte aus der Schlange. Die wenigen Stufen rannte sie mehr hinauf. Nick umarmte sie. Sein Rasierwasser war arg gewöhnungsbedürftig.
»Was machst du denn hier?« flüsterte A und gab ihm ein Küsschen auf die rasierte Wange. Nick der Schmale brummte schräg.
»Man muss sehen, wo man bleibt.« Er hakte Anevay ein und öffnete die Tür zum Foyer, drehte sich noch einmal um. »Wenn irgendwer hier noch Ärger macht, liegt er tot im Schnee, klar?« Ziemliche Stille.
Innen sah das Golden Zelluloid Theatre aus wie das üppige Schlafgemach eines Sultans. So ziemlich jeder Flecken war mit rotem Samt bespannt, jedes Stück Metall mit Goldfarbe bestrichen, die falschen Kronleuchter blinkten, dass es in den Augen schmerzte. Typen, die tagsüber nach Erzen wühlten, trugen nun eine Livree und sahen gespenstisch aus, weil man nicht wusste, ob sie einem Konfekt verkaufen oder einen ausrauben wollten. Leonardo Szuda hatte dabei anscheinend beides im Auge.
Pepper schoss mit einem hohen Bellen aus seinem Körbchen, das neben dem Tresen für Snacks postiert war, wedelte wie verrückt und sprang an Anevays Beinen hoch. Sie ging in die Knie und streichelte ihn ungestüm.
»Hat dich nicht vergessen!« Nick sagte es voller Stolz und mit einem Hauch Dankbarkeit.
A stand auf und klopfte die Hundhaare von ihrem Mantel.
»Manche Dinge gehören einfach zusammen. So ist das.« Nathaniel räusperte sich dezent.
Anevay drängte auf die Plätze hinten, unter den Logen, nur dort sah man wirklich alles! Nach dem verpatzten, heroischen Erwerb der Karten hatte Nathaniel darauf bestanden, ihr wenigstens ein Getränk zu kaufen. Es schien ihm wichtig zu sein, also bestellte A eine Getreidemilch und Popcorn.
Der Geruch der Sitze verzauberte Anevay, als wären all die flackernden Bilder, die diese gesehen hatten, darin eingebrannt. Die Spuren von tausenden von Schultern waren darin gefangen, die ihr Dasein zurückgelehnt hatten, um sich entführen zu lassen. Ihre Schuhe waren durch tausend Wetter gestapft, nur um an diesem Ort etwas zu erleben, das sie noch nie erlebt hatten. Ohne Gefahr, aber mit klopfendem Herzen.
Ihr Vater saß irgendwo dort, da war sie sich sicher. Ich werde dich finden.
»Alles o.k.?« Nataniel balancierte ein paar Snacks, legte sie dann auf den Sitz neben ihnen. A hatte die Arme über die Lehne vor sich gelegt und ihr Kinn darauf gebettet wie auf einem Kissen. Sie seufzte. Das war eine gute Idee gewesen. Sie sollte etwas davon zurückgeben.
»Das war eine gute Idee, Birdy.« Das Licht ging aus, der Vorhang öffnete sich.
Anevay war noch ganz berauscht von Leandra Vazan, dem Film, der Geschichte. Sie standen draußen, der Wind piff. Nathaniel ruckte seine Mütze zurecht. Er hatte rote Wangen, sah aus, als könne er jeden Moment etwas Dummes tun.
»Das war der Wahnsinn, oder?« Er stapfte mit den Füßen in den Schnee.
A nickte. Sie dachte an den Kompass, das Labyrinth, an Robert. Sie dachte daran, dass sie diesen unbekannten Mann auf der anderen Seite des Ozeans vielleicht liebte und nicht einmal wusste, was das eigentlich war: Liebe. Sie fühlte sich unwohl. Jetzt. Hier. Sie zog Schnodder hoch.
»Sehen wir uns wieder?« Der Junge sah verloren aus, was er auch war. Anevay hatte keine klaren Gedanken mehr übrig, nicht in diesem Moment.
»Ja.« Sie ging.
Nathaniel sah ihr nach. Er hatte sich so vollständig, katastrophal und unwiderruflich in sie verliebt, wie das Jungen in seinem Alter leider nun einmal taten.
Zudem hatte er ganz vergessen, ihr zu erzählen, dass er einen anderen der Stämme gesprochen hatte. Er hätte ihr von dem Herz aus Glas erzählen können, das hätte ihm sicherlich ein paar Pluspunkte beschert. Aber das konnte er ja bei ihrer nächsten Begegnung tun.
Anevay fühlte es mehr, obwohl sie es sah. Ein Automobil hatte noch vor Kurzem vor dem Haus geparkt und war dann schnell weggefahren. Die Spuren der Reifen waren so
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