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Das Lied von Schnee & Liebe (The Empires of Stones, Band 2) (German Edition)

Das Lied von Schnee & Liebe (The Empires of Stones, Band 2) (German Edition)

Titel: Das Lied von Schnee & Liebe (The Empires of Stones, Band 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Kellen
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ihr nicht. Sie wollte fluchen, doch hatte sie keine Worte dafür. Sie legte sich nackt auf das Bett, nur die wenigen Lichter Brooklyns strömten durch das Fenster, die der allgegenwärtige Schnee heller machte. Ihr war kalt, aber sie wollte frieren, damit sie überhaupt noch etwas empfand.
    Die ganze Welt war still.
    Sie sehnte sich nach einem Brief von ihm.
    Plötzlich entfaltete sich der Kompass, surrend fuhren seine metallischen Arme aus, bildeten das typische Labyrinth. Die Haube fuhr auf und wieder nieder. Der Stein leuchtete, dann erschien ein Zettel in dem Geflecht. Anevays Herz klopfte wild, sie riss das Pergament heraus, doch Moment, kein Licht! Hektisch suchte sie nach den Streichhölzern, fand sie, zündete die Kerze auf dem Nachttisch an. Es waren kurze, präzise Zeilen, eine Aufgabe.
    Öffne das Geflecht, welches sonst die Briefe umschließt, nur zur Hälfte. So dass es das Viertel einer Kugel bildet.
    Hä? A überlegte fieberhaft. Kugel, Viertel … ? Ah, sie verstand. Sie zog die Haube auf, aber so, dass sie wie eine muschelförmige Bühne aussah.
    In der oberen Kante der Haube müsste eine Kerbe sein, fühlst du sie?
    Anevay strich mit einem Finger unter der Kante entlang, die ein wenig stabiler war als das Geflecht selbst. Aber da war nichts, doch halt! Ja, da war eine leichte Erhöhung in dem Metall zu spüren. Ja!
    Darin ist eine Leinwand gebettet, die aus Silberhaut besteht. Ziehe sie hinunter und hake sie ein.
    A fummelte mit den Fingerspitzen herum, fand einen kleinen Knubbel und zog erstaunt so etwas wie eine silberne Folie herunter, die wie durchsichtiges aber eben doch nicht durchsichtiges Wasser wirkte. Ohne dass sie etwas tat, rastete diese in den Metallweg darunter ein. Jetzt sah es aus, als habe jemand ein silbernes Tuch vor die kleine Bühne gehängt. A beugte sich hinunter und nahm dieses erstaunliche Wunderwerk in Augenschein. Mit dem ausgestreckten Finger wollte sie am liebsten darauf tippen. Ein exakt gewölbter Bogen aus etwa zwanzig Quadratzentimetern flüssiger Haut hatte sich gebildet, auf den anscheinend imaginäre Regentropfen fielen, denn dieses Silber war ständig in Bewegung. ›Wow! Wie abgefahren war das denn?‹
    Dann verfärbte sich die Haut plötzlich, waberte, suchte, wie es schien, und eine andere Farbe nahm darin Gestalt an. Es wurde dunkel, immer mehr, dann trat eine Stimme daraus hervor, die Anevay bis in die Haarspitzen fuhr.
    »Hallo A.« Ihr Herz wummerte nicht nur einfach, nein, es flog davon, schlug Purzelbäume irgendwo über den Wolken, oder darin, oder …
    Der Atem raste aus ihrer Nase wie ein Dschinn aus einer Flasche. Sie brauchte tausende unüberlegte Gedanken, bis sie es begriff. Sie hörte seine Stimme. Seine Stimme! Sie klang wie eine warme Decke, die über sie fiel.
    Was sollte sie jetzt sagen? Sie war akut stumm. Sie erblickte Dunkelheit, in der ein Gesicht schwebte. Eine Mauer im Hintergrund, ein Kamin? Ein Licht, Kerze, Öl, Pulver - war das nicht scheißegal? - beleuchtete nur schwach seine linke Gesichtshälfte. A sah tiefe Augen, so dunkel wie eine unerzählte Geschichte, Haare, die wirr und lang waren. Entschlossene Züge, die etwas Verlorenes hatten, fast geheimnisvoll, das mochte sie, sehr sogar.
    »Ist das Zauberei?« ›Was fragte sie denn da? Natürlich war es das.‹
    Ein erschöpftes, aber wissendes Lächeln breitete sich auf dem fernen Gesicht aus. Das Gesicht eines Mannes, der einen Plan hatte. Ein schwarzes Stirntuch mit weißen, nordischen Mustern hielt die Haare zurück. ›Wie alt war er noch, zwanzig? Verdammt, er sieht aus wie ein Piratenfürst.‹
    »Kann ich dir vertrauen, Anevay?« Jetzt summte ihr Herz und tanzte herum wie irre. Aufhören, aber sofort!
    »Ja.« Ihre Stimme antwortete wie von selbst.
    Sie sah zu, wie Robert kurz aus dieser silbernen was-auch-immer-Haut verschwand. Plötzlich kam ein kleines Tier ins Bild, anscheinend stand das Labyrinth auf einem Tisch. Eine knuddelige Maus oder dergleichen. Mit niedlichen, runden Ohren starrte es A durch die magische Folie an. Das Fell hatte ein grauschwarz gezacktes Muster und der Bauch war weiß wie ein Federkissen. Es setzte sich auf die kurzen Hinterbeinchen, hielt die winzigen Pfoten vor die Brust, als habe es eben erst ein Buch zur Seite gelegt, und schaute mit schwarzen Knopfaugen zu ihr bis nach New York. ›Was sollte sie jetzt tun? Etwas sagen? Freundlich winken?‹ Alles schien passend und doch wieder nicht. Dann wurde ihr die Entscheidung darüber

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