Das Lied von Schnee & Liebe (The Empires of Stones, Band 2) (German Edition)
Mit Staub bedeckt. Ich dachte mir: Runari, das behalte mal lieber im Auge. Gestern Nacht wurde dann die Halle geräumt, also kam ich her, um Spuren zu sichern. Ehrlich gesagt habe ich mir fast in die Hose gemacht, als du hier plötzlich aus dem Nichts erschienen bist.«
»Und hast du deinem feinen Pharao vielleicht von einem Clangeist namens Poe berichtet?« Robert war jetzt stinksauer, auch wenn er nicht einmal wusste, warum. Ihr Blick war traurig und wütend, als sie herumfuhr.
»Niemals würde ich das tun, niemals! Du hast mir einst das Leben gerettet, Lord, und das ist eine Schuld, die ich sehr ernst nehme. Ich habe Poe versprochen, dir in keinem meiner Leben je ein Leid zuzufügen. Und das werde ich auch nicht tun.« Jetzt wirkte sie verlegen.
»In keinem deiner Leben?« Robert hob die Brauen. »Wie viele hast du denn?«
»Er war da ziemlich ausführlich, wenn man es so nennen mag.« Sie fummelte eines ihrer Messer hervor, betrachtete es, als lenke sie das von einer fatalen Erinnerung ab.
»Woher kennt ihr beide euch überhaupt?« Robert hatte das Gefühl, eine Wunde gefunden zu haben, jetzt bohrte er darin herum. Sie hatte es verdient.
»Das kannst du ihn fragen. Ich schweige.«
Robert zuckte unschuldig mit den Schultern, während er das Labyrinth auf dem Boden auslöschte. »Dann eben nicht.« Er stieg die Stufen hinunter, die zum Ausgang dieses Kulissengebäudes führten. Er hatte noch andere Dinge zu tun. Runari folgte ihm. Sie im Rücken zu haben behagte ihm plötzlich gar nicht mehr. Etwas war zerbrochen zwischen ihnen. Das Seltsame daran war, dass niemand die Schuld dafür zu tragen schien, es war einfach so. Das Leben führte einen auf wahrlich verwirrende Pfade.
Die Halle lag da in all ihrer Düsternis. Schatten über Schatten, die von den künstlichen, echten Bedingungen verursacht wurden. Robert sah den Turm, in dem er Monate lang gegrübelt hatte. In das Dach der Halle waren viele längliche, rechteckige Fenster aus Panzerglas eingelassen, doch sie waren von Schnee bedeckt, so dass alles in einen Nebel getaucht schien. Neben ihm war die schwarze Narbe eines tiefen Grabens. Das Gras dahinter roch nach Farbe.
›Der Pharao. Tss. Seit wann interessierte sich ein Mann auf der anderen Seite des Weltenrunds, der noch nicht einmal gekrönt worden war, für den Nordischen Feuerbund ?‹ Raneb Amnun Ankh hockte mitten in der Wüste und traute sich nicht einmal in den Garten, wie es hieß. Aber eines musste Robert zugeben, der junge Prinz hatte Schneid und war ein sehr diskreter Gastgeber. Ohne ihn wäre die Sache in Alexandria wohl nicht möglich geworden. ›Ach, verdammt. Geh aus meinem Kopf, Runari Fay!‹
»Deine Stiefel machen keine Geräusche. Ich will auch solche Dinger.«
»Dann lerne endlich zu zaubern, Runa.« Robert sagte es, wie er es immer gesagt hatte. Mit einem ungläubigen Vorwurf. Sie war die Tochter - die rechtmäßige Reihenfolge war doch egal - eines Adligen. Sie hatte das Blut, sie hatte die Veranlagung. ›Aber was machte sie daraus?‹
»Ich finde Zaubern blöd.« Das machte sie daraus. Er blieb stehen, sie auch. Er erinnerte sich an seinen Großvater so deutlich wie an den Schmerz, als er damals seinen Arm verloren hatte. An die dunklen Worte, die er sprach: Kein Zauberer darf jemals eine andere Zauberin lieben. ›Weißt du wieso?‹ Robert hatte vor Angst gezittert, als der Qualm der Pfeife dabei aus Opas Lippen quoll wie der Fluch eines Gottes. ›Dann denk an Sariel und Rudack!‹
Doch Runari war über ihn hergefallen wie eine Flut. Sie war anders, voller … ihm fiel kein Wort dafür ein.
Robert umrundete den Turm, der viele Monate sein Grübeln hatte ertragen müssen, hörte das Knarren der Stufen, roch das Harz des Holzes und blieb wie angewurzelt stehen.
»Bei den Toten«, flüsterte Runari hinter ihm.
Robert ging wie betäubt durch die Leichen der Arbeiter, sein Mund trocken wie Staub. Alle zwanzig lagen da. All die Menschen, die er noch vor kurzem lebendig gesehen, einigen die Hand gereicht und wenigen sogar auf die Schulter geklopft hatte. Tot. Allesamt. Er schluckte.
»Bei den Geistern«, raunte Poe auf seiner Schulter. Robert stand da und konnte sich nicht mehr rühren. Ihm war kalt. Sein Atem drang aus seiner Nase, aber er fühlte ihn nicht länger. Galle stieg in seine Kehle. ›Wie viele denn noch?‹ Er presste hilflos die Hand vor den Mund.
»Humberkiss?« Runaris Stimme war ebenfalls kalt. Sie beugte sich über einen der Toten, ein Schattenriss
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