Das Lied von Schnee & Liebe (The Empires of Stones, Band 2) (German Edition)
knackte, ihr linkes brüllte vor Schmerz, ihre Beine fühlte sie nicht länger.
Sie sah auf zu dem Mann mit der Kugel. Glatze, schwulstige Lippen, eine Augenbraue fehlte. Er maß das Ziel ab. A zog, doch der linke Arm bewegte sich nicht einen Millimeter. Der Kerl hatte ein totes Gesicht, packte die Kette, berechnete den Abstand, nickte, dann bekam er das Zeichen und A sah dieses Ding niederfallen wie einen Kometen.
Die eisernen Haiflossen durchschlugen ihr Fleisch, das Gewicht zertrümmerte ihre Knochen. Schmerz raste in so unvorstellbar heller Geschwindigkeit in ihren Kopf. Sie presste den Schrei gegen den Knebel. Ungehört. Allein. Tränen rannen aus ihren Augenwinkeln.
»Weißt du was, Miststück, ich verliere nicht gern.« Die Stimme war fast in ihrem Mund. »Szuda ist mir egal, mir ist alles egal. Ich bin Wild Billy Wild. Sollte es deswegen Ärger geben, nun denn, gibt es eben welchen.«
Anevay hob den Kopf und versuchte ihm eine Kopfnuss zu verpassen. ›Du verdammter …, ich werde …, du bist eben auf meiner Liste verewigt worden, du verdammter …‹ Ihre Augen funkelten.
Wild Billy Wild riss ihr Hemd auf, jemand sog scharf die Luft durch fehlende Zähne. Er griff nach dem Kompass, ließ ein Klappmesser aufschnappen und durchschnitt das Band.
NEEEEIIIIINNNNN!
Der andere zerrte Roberts Ring von ihrem Finger. Er glitschte einfach über die blutigen Knochen, reichte ihm seinen Herrn und Meister.
NEEEEIIIIINNNNN!
»Du bist zäh, oder?« Er flüsterte, während er die beiden liebsten Dinge in ihrer Welt in seine Manteltasche steckte wie einen dreckigen Penny, den er auf der Straße gefunden hatte. »Du würdest selbst ein ganzes Rudel Scheißwölfe mit verbundenen Armen angreifen, was?!« Der Schatten erhob sich, schnippte mit den beringten Fingern. »Planänderung.« Mehr sagte er nicht, aber Francesca begann zu wimmern. Ein Schlag, dann war sie still.
Sie traten auf Anevay ein. Wieder und wieder. Ihre Rippen brachen, sie hörte es knacken. Eine davon bohrte sich in die untere Seite der rechten Lunge, sog die Luft in eine völlig verkehrte Richtung. A wollte sich an etwas festhalten, sie bekam mit der rechten Hand die Badezimmertür zu packen, doch jemand trat diese mit voller Wucht zu und ihre Finger wurden in dem Spalt zerquetscht. Francesca heulte wie eine Wilde, bis man auch sie wieder schlug.
Man zog sie die Treppe zum Dach hinauf. ›Ich bin allein‹, das waren die einzigen Gedanken, zu denen sie noch fähig war. ›Wieso nur? Wieso konnte sie nicht an etwas anderes denken, an ihn?‹ Anevay lächelte.
Schnee trieb ihr ins Gesicht. Wind wehte heulend.
»Ich denke, es ist besser, wenn wir gleich hier all deine möglichen Zukünfte begraben.« Das Lispeln war so witzig, es hatte etwas Irreales.
A nickte ergeben. ›Ja, mach endlich, dass ich diese dämliche Stimme nicht mehr hören muss.‹ Ein alter Wasserturm huschte an ihr vorbei, jemand boxte ihr in den Rücken, sie aber lächelte weiter.
Sie griffen sie an Armen und Beinen, pendelten sie ein paar Mal hin und her, um genügend Schwung zu bekommen.
»Guten Flug!« Endlich hatte er es gesagt. Man warf sie aus der Welt, der Knebel löste sich, sie spuckte ihn fort.
»Dir auch«, flüsterte A, als sie vom Dach kippte und fiel und im Himmel von Brooklyn verschwand.
Der Wind brüllte in ihrer Seele. Trug sie, ließ sie fallen. Die Schöße ihres Mantels wehten um sie herum, flatterten. Sie taumelte durch den Schnee, war der Schnee. Der Wind zerrte an ihrem Ich, riss Träume und Hoffnungen fort, trug sie weiter, zu jemand anderem, der sie besser gebrauchen konnte. So war New York eben. Man durfte der Stadt deshalb nicht böse sein.
Ihre Glieder verdrehten sich wie zu einem Gespinst. Doch sie war schneller als die Flocken, sah sie fallen, während sie hinab fiel. Sie fielen mit ihr. Für sie.
Anevay lächelte.
Sie breitete die Arme aus.
Keine Schmerzen mehr.
Tiefer.
Sie stürzte durch die Welt. Schneller und schneller. ›Hier hört es auf, hier endet alles.‹
Ihr letzter Gedanke: ›Robert. Fang mich auf.‹
Das Ende des Liedes
Halle 23
Der Schub, der von der Magie ausging, war wie ein Knall, ein Blitz oder was auch immer. Robert schoss über Hammaburg hinweg wie ein Blatt in einem Sturm. Die Gebäude verzerrten sich zu Falten, der Hafen zu wilden Wellen. Poe kreischte, Robert juchzte, flog über jene Zauber hinweg, die jeden daran hindern sollten auch nur einen Blick darauf zu werfen. Unter ihm verformte sich die
Weitere Kostenlose Bücher