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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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zufallen und klingelte am Eingang des Gitterzaunes, dessen spitze Enden sich wie Zinken einer Gabel nach außen bogen.
    Ich sah sie in die Sprechanlage reden, dann ein wenig zurücktreten. Sie winkte mir zu. Ich stieg aus, und nun starrten wir gemeinsam zu den Balkonen hoch, auf deren obersten kurze Zeit später eine Frau erschien. Meine Magengrube hob und senkte sich gleich wieder. Sie hatte buschiges Haar, einen gewaltigen Vorbau und einen breiten Mund: Dort oben stand ganz eindeutig eine schmucklose Hausfrauen-Ausführung von Brigida.
    » Si? «
    Selbst aus der Entfernung konnte ich das Misstrauen sehen, das sich wie ein bösartiger Holzwurm neben ihre Mundwinkel gegraben hatte. Auch ihre Stimmbänder waren davon durchbohrt. Von Fremden wie uns konnte nichts Gutes kommen.
    Mit einer Hand schirmte Lella ihre Augen gegen den weißlich grauen Himmel ab, mit der anderen zeigte sie auf mich und sprach in unverständlichen Sätzen mit vielen gedehnten Lauten, die ich noch nie von ihr gehört hatte. Während ich freundlich nach oben grinste, schnappte ich zweimal »Brigida« und einmal ein genuscheltes fidanzato auf. Mein Nacken schmerzte. Für Jessica musste ich mir keinen Namen ausdenken, ihrer war so banal, er reichte völlig aus. Sie warf zweimal ein schrilles No! über die Balkonbrüstung hinaus, was sie mit weiten Bewegungen unterstrich. Sie hatte ganz eindeutig kein Verlangen, mit uns zu sprechen. Ich grinste dennoch weiterhin zu dem gealterten Brigida-Gesicht hinauf. Sie bewegte sich bereits in Richtung Tür, da
rief Lella einen Satz hinauf, der den kräftigen Fleischberg dort oben zögern ließ. Mit einer mir sehr bekannten Geste strich sie sich glättend über ihr Haar, doch im nächsten Augenblick war sie in der Wohnung verschwunden.
    »Äußerst sympathisch«, sagte ich und wandte mich ab.
    »Warte!«, erwiderte Lella. Ihre Augen streiften das Autofenster mit der schlafenden Matilde dahinter, fixierten dann die Haustür, die sich eine Minute später öffnete. Nun bekam ich Gelegenheit, die borstigen Eigenheiten von Brigidas Schwester von Nahem zu studieren, denn der Gitterkäfig öffnete sich für uns.
    Jessica flüsterte, sie raunte, sie drückte sich gegen den Türpfosten, nur einmal wurde sie laut und wischte sich danach über die Augen. Ab und zu huschten ihre Augen neugierig über mich, dann und wann sagte sie anklagend »Papa« und »la Mamma«, manchmal bekreuzigte sie sich.
    »Grazie, grazie mille, e...« Lella entschuldigte sich vermutlich vielmals für die Störung, was Jessica dazu veranlasste, den Kopf nach hinten zu werfen und die Haustür zu schließen.
    Lella holte tief Luft. »Also, du willst bestimmt wissen, was...«, begann sie, redete aber nicht weiter. Wir schauten uns in die Augen, so lange, bis ich mir völlig sicher war, dass ich nichts wissen wollte, nichts fragen würde. Es war völlig egal, was Brigidas Schwester zu berichten hatte. Ich wollte Brigidas Eltern nicht sehen, ich wollte Lella küssen und nie mehr an Brigida denken.
    Lella war es, die ihre Augen schließlich losriss. Sie blickte um sich, doch kein Mensch war zu sehen, oben im dritten Stock wurden nun auch ratternd die Rollläden hinuntergelassen. Der Bürgersteig war neu gepflastert und leer, nur
die Wäsche flatterte auf dem Balkon im ersten Stock und gab auf diese Art ein Lebenszeichen von sich. Lella schaute durch die Scheiben des Autos zu Matilde hinein und lächelte: »Sie schläft immer noch.« Ich nickte. »Möchtest du hinfahren?«, fragte sie. Ihre Stimme bat um ein »Nein« von mir.
    Jetzt müsste ich alles klarstellen, jetzt sofort! Los, tu es! Bist du wahnsinnig? In mir schrie alles durcheinander. Was sollte ich denn klarstellen? Lella, ich will mit dir leben, ich verlasse Brigida - sollte ich das vielleicht sagen? Was für eine Schnapsidee. Verlässt man eine Frau, die man eben noch heiraten wollte, wegen einer, die man erst vier Tage kennt? Außerdem: Wollte Lella mich denn überhaupt? Letzte Nacht hatte es zwar so ausgesehen, doch wie konnte ich mir sicher sein, was diese letzte Nacht jetzt, am helllichten Tage für sie noch zählte? Sie war doch gerade mit ganz anderen Sorgen beschäftigt. Sie hatte Matilde, das durfte ich schließlich nicht außer Acht lassen. Sie war für ein Kind verantwortlich, das sie versorgen musste. Ich wollte Lella und bekam das Kind gleich dazu, das Kind, das mich nicht verstand. Es würde nicht einfach, kein Spaziergang, hätte Brigida gesagt. Brigida! Wie sollte ich ihr das

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