Das Limonenhaus
Geld. Richtig viel Geld. Meine Aufgabe war es, Mamma Maria um Erlaubnis zu bitten, das Limonenhaus zu verkaufen. Bevor ich gestern die Kanzlei verließ, hatte Claudio mit einem potenziellen Käufer am Telefon geredet und mir dabei bedeutungsvolle Blicke zugeworfen. Nur mit genügend Geld könnten wir Teresa mundtot machen, aber erst als verheiratetes Paar würde ich Matilde auch wirklich behalten können. Matilde und ich. Ein herrlicher Satz. Mátti für immer bei mir zu haben das war das Einzige, worauf es ankam. Die schrecklichen Dinge, Zia Pinas Worte und Signora Pollinis Erzählungen, die mir immer wieder in den Kopf kamen, musste ich zurückdrängen.
Schließlich hielt ich es im Bett nicht mehr aus. Schwerfällig stand ich auf, wusch mir wie betäubt das Gesicht und zog mich an. Mein Nacken schmerzte.
Ich begann durch das Zimmer zu wandern. Drei Schritte
hin, drei Schritte zurück. Im Spiegel kam meine schwarze Silhouette auf mich zu, ich drehte mir den Rücken zu, ging weg und kam mir wieder entgegen. Der Zeiger meines Reiseweckers rückte immer weiter vor. Halb neun... Ich blieb vor dem Spiegel stehen, griff nach der Bürste und zog sie durch meine Haare. Die Haare meiner Mutter, genauso dunkel und glatt. Eine neue Nachricht, meldete mein Handy.
Warte auf mich, ich hole dich in einer Stunde ab. Bacione, Claudio
Ich ließ die Haarbürste wie einen Baseballschläger in meine Hand klatschen und spürte, wie die Wut in mir nach einem Weg ins Freie suchte. Warten, um abgeholt zu werden! Ich wollte weder warten noch abgeholt werden, und einen großen Kuss von Claudio wollte ich auch nicht.
Mit den Schuhen in der Hand ging ich leise die Treppe hinunter, an einem Zusammentreffen mit Signora Pollini war ich heute Morgen nicht besonders interessiert. Aber ich hatte Glück, sie war nicht zu sehen. Ihrem Mann schärfte ich ein, einem gewissen Claudio Acquabollente auszurichten, dass ich schon zur Comune gegangen wäre. Ich lief die abschüssigen Straßen hinab, ich rannte fast, bis ich das Limonenhaus und das unendliche Wasser dahinter sehen konnte. Es war an diesem Morgen silbrig-blau, von vielen kleinen Wellen aufgekräuselt, so wie Kinder das Meer malen. Zwei Möwen flogen auf die schiefe Antenne des Häuschens zu, wurden vom Dach verdeckt und schossen in einem spitzen Winkel wieder in den Himmel. Ich beobachtete zwei Fischerkähne, die in Richtung Hafen tuckerten und die spiegelglatte Wasserfläche v-förmig zerteilten, während ein anderer Fischer gerade hinausfuhr. Jeder von ihnen war vermutlich
fest davon überzeugt, den richtigen Zeitpunkt gewählt zu haben.
Am Hafen betrat ich die Bar und bestellte einen Cappuccino und ein Hörnchen. Der heiße, schaumige Kaffee löste die restlichen Nebelschleier der Nacht in mir auf. Nachdem ich gezahlt hatte, suchte ich mir draußen am Hafen eine Bank und tippte eine Nummer in mein Handy.
Mein Vater musste jetzt auf dem Großmarkt sein. Wenn der Akku durchhielt, würde ich ungestört mit Mamma Maria reden können.
Ein dünnes »Si?«.
»Mamma?«
»Lella! Wo bist du? Geht es dir gut?«
»Wo ist...«, ich konnte ihn einfach nicht mehr Papa nennen. »... er?«
»Nicht da.«
Zum zweiten Mal an diesem Morgen hatte ich Glück. »Es geht mir gut, ich bin in Porticello.« Eine kleine Ape ratterte an mir vorbei. »Fragolefruttebellefresche!« schallte aus einem Megafon, das der Besitzer auf dem Dach der Fahrerkabine befestigt hatte. »Fragolefruttebellefresche!« Mit den Augen folgte ich dem Turm der aufeinandergestapelten Holzsteigen, bis die rote Erdbeerfuhre schwankend um die Ecke bog. Jetzt musste ich überlegen. War es besser, sie zu überrumpeln oder langsam an die Sache heranzuführen?
»Mamma? Ich habe erfahren, was damals passiert ist.« Die Uberrumpelung.
Sie sagte lange nichts. Dann kam ihre Antwort: »Da weiß doch niemand mehr davon.«
»Ich habe Tagebuchseiten von Zia Pina gefunden, Mamma, sie hat es aufgeschrieben.«
»Die Zia Pina, Gott habe sie selig. Ich wollte nicht, dass ihr es wisst...« Sie sprach nicht weiter.
»Es ist gut, ich verstehe dich, ich verstehe endlich alles.«
Sie gab keinen Laut von sich, das kannte ich schon: Wenn Mamma Maria mit starken Gefühlen konfrontiert wurde, machte sie dicht und war für die nächsten Tage nicht ansprechbar. Doch inzwischen begriff ich, warum. Ihr Schweigen war ihr selbst gewählter Schutz, ihre einzige Gegenwehr gegen das Unrecht, das mein Vater ihr angetan hatte.
Trotzdem konnte ich nicht umhin,
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