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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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der Nähe von Catania in einem Dorf. Der Mann von der Mirella kam von da, wollte dort nicht weg. Nie hatten sie Geld, die Pina schickte immer welches. Sie hatten viele Kinder, und wie das dann so ist. Die Pina war froh, ein lebendes Geschöpf um sich zu haben, die eigenen Eltern waren ja tot, das ganze Haus so leer. Ja, ja.« Meine Wirtin stützte ihre Hände in die Mitte ihres runden Leibes und nickte den Erinnerungen hinterher. Doch dann fing sie sich wieder und stellte einen Teller vor mich hin. Darauf schichteten sich wie bei einer Lasagne Nudeln, Hackfleisch, Erbsen, gebratene Auberginen, zerlaufener Mozzarella und Schinken. Auch gekochte Eierscheibchen gehörten in Signora Pollinis Version dieses Gerichts. »Buon appetito!« Hungrig machte ich mich über die pasta al forno her. Ich musste mich zügeln, um nicht allzu hastig eine Gabel nach der anderen aufzuhäufen und in meinen Mund zu schieben. Ich kaute und schluckte. Bis ich die nächste Frage stellen konnte, verging einige Zeit.
    »Es schmeckt wundervoll, Signora Pollini, ich habe mich nur gerade gefragt, wer das Haus meiner Großtante leer geräumt haben könnte?«
    »Deren Angelegenheiten«, sagte Signora Pollini nur, fatti loro! Ein unsichtbarer Rollladen ratterte lautlos vor ihrem Gesicht herunter.

    Sie stellte einen Espresso vor ihren Mann, der vom Rauschen des endlosen Fernseh-Beifalls völlig hypnotisiert war, sie selbst ging zum Limoncello über. »Nun ja«, ich versuchte mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. »Die Grazia ist mit ihrer Tochter ja schon vor drei Jahren zu ihren Eltern gezogen.«
    »Gott habe sie selig«, sagte meine Wirtin unweigerlich, wie immer, wenn von einer toten Person gesprochen wurde.
    Doch scheinbar hatte der Limonenlikör den Rollladen ein Stück nach oben gezogen. Denn nun begann Signora Pollini mir alles über die Feuer zu erzählen, die faló, die aus alter Tradition am 19. März, am Tag des heiligen Giuseppe am Strand und auf den Plätzen brannten. Über das alte, trockene Reisig aus den Zitronengärten, den Müll und auch über die vielen guten Möbel, die diesmal von den Flammen gefressen worden waren.
    »Vor dem Limonenhaus?«
    »Genau da.«
    »Wer hat das getan?«
    »Man sagt, dass es die LoConte Teresa und ihre drei Söhne waren. Die hätten alles aus dem Haus geschleppt und sogar aufgepasst, dass niemand ein Möbelstück aus den Flammen holt.« Sie räumte ab und klapperte mit den Tellern herum.
    Teresa! Ich versuchte ruhig zu bleiben, um Signora Pollini noch schnell eine letzte Frage zu stellen: »Kennen Sie einen, der Finú genannt wurde? Er soll der Verlobte meiner Mutter gewesen sein.«
    Meine Wirtin wackelte argwöhnisch mit dem Kopf und blieb eine Minute lang stumm.

    »Der Verlobte... war sie denn verlobt, die Maria? No, no, no, davon weiß ich persönlich nichts.«
    Ich erhob mich von dem harten Küchenstuhl, bedankte mich für das Abendessen, sie winkte ab, brachte mich zum Treppenaufgang und tätschelte mich an der Schulter.
    »Sie sehen blass aus! Jetzt schlafen Sie gut und ruhen sich erst mal aus, ja? Nicht so viele Gedanken machen, nicht so viele Sorgen wälzen!«
    »Ja, danke, das werde ich tun.«
     
    Gegen Signora Pollinis Rat lag ich noch lange wach und machte mir Gedanken und Sorgen um Matilde. Schließlich musste ich aber doch eingeschlafen sein, denn gegen sieben wachte ich von lautem Vogelgezwitscher auf. Ich hielt es nicht mehr im Bett aus, also stand ich auf und öffnete weit das Fenster. Die Luft prallte glatt und überraschend kalt gegen mich, wie eine Glastür, die man zu spät sieht. Ein neuer Tag war angebrochen. Das Zählwerk in meinem Kopf sprang automatisch um: eintausendneunundneunzig Tage ohne Leonardo. Ich zuckte mit den Schultern - was nützte es mir noch, die Tage zu zählen? Schon als er noch lebte, hatte ich immer vergebens auf ihn gewartet. Ich fröstelte, und meine Brustwarzen zogen sich unter dem dünnen T-Shirt, in dem ich geschlafen hatte, zusammen. Mit der Kälte fühlte ich meinen Kopf klar werden. Die Benommenheit der letzten Stunden verflog mit jedem Atemzug und wurde von einer kraftvollen Wut ersetzt. Und erst jetzt bemerkte ich, wem sie galt: Teresa!
    Natürlich, Teresa war schon immer der Kern des Problems. Sie hatte sich am Eigentum von Zia Pina vergriffen und an dem meiner Mutter. Sie hatte Leonardos Sachen
verbrannt. Sie behandelte Matilde schlecht. Sie liebte das Kind nicht. Es gab keine Ausrede mehr, ich musste Matilde schnellstens von Teresa und

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