Das Limonenhaus
spürte erlöst meinem nur etwas schnelleren Herzschlag nach. Lella verlangte nichts, ich würde sie nie wiedersehen, aber dieser kleine Film mit ihrem Blick und den sich öffnenden Lippen würde mich noch lange begleiten, das ahnte ich. Die Lady Madonna, wer hätte das gedacht, sie war so schön, es war ihr sicher nicht bewusst, wie schön sie war.
Es klopfte. Ich erschrak und rührte mich nicht, nass klebte meine Hand an meinem Bauch. Es klopfte wieder. Gleich würde sich ein Schlüssel im Schloss drehen, und ein Zimmermädchen stände mit einem Stapel weißer Handtücher im Raum.
»No grazie!«, rief ich, jetzt doch leicht außer Atem, wie nach einem kurzen Sprint.
»Phil?!«
Brigida? O Gott, was um alles in der Welt machte Brigida hier?
Noch einmal: »Phil?«
Das war zu leise für Brigida, Brigida redete zudem immer mit Ausrufezeichen, nie mit Fragezeichen. Das konnte nur eins bedeuten...
»Komme«, rief ich und spurtete ins Bad, wo ich ein Handtuch von der Stange riss, mich notdürftig abtrocknete, um dann damit den Fleck zu bedecken, den ich auf meiner Pyjamahose entdeckt hatte. Ich atmete kurz durch und entriegelte die Tür.
»Buongiorno!«
Sie hatte den taubenblauen Sommermantel in der Taille festgezurrt, ihre Haare und Augen wirkten noch schwärzer als gestern. Den Kopf hielt sie gesenkt wie ein Stier vor dem Angriff, als ob man sie zutiefst erschreckt hätte und sie sich jetzt rächen wollte. »Entschuldige, ich hätte anrufen sollen, aber... es ist... dringend.« Sie wirkte plötzlich erschöpft und machte eine Geste, als ob sie mir förmlich die Hand geben wollte. Vor Schreck zeigte ich mit meiner unbenutzbaren Rechten ins Zimmer.
»Komm rein.«
Zögernd trat Lella ein. Ich hatte vergessen, wie zierlich sie war, sie reichte mir gerade bis zur Schulter. Um Himmels willen, hoffentlich konnte sie es nicht riechen. Rasch ging sie zum Fenster, als wenn sie Abstand zwischen sich und meinen nackten Oberkörper bringen wollte, zog die Vorhänge beiseite, fragte scheu: »Darf ich?«, und öffnete es.
Natürlich, sie hatte es gerochen.
Quengelnde, schimpfende Rufe drangen ins Zimmer. Auf der Karte hatte ich den Markt Vuccirìa entdeckt, nicht allzu weit von meinem Hotel entfernt. Der Name bedeutete laut Reiseführer ﹥Geschrei﹤ auf Sizilianisch, eine nette Untertreibung. Ich hatte auch über die dornige, sizilianische Artischockenart, über die ausgeklügelte Anbauweise von Blutorangen und die vielfache Zubereitungsart von Sardinen gelesen. Hatte mich über panelle, crocche, über pane ca’ meusa, in Fett ausgebackener Milz in einem Brötchen informiert. Spezialitäten, die ich nicht richtig aussprechen konnte, aber unbedingt hatte probieren wollen, um Brigida meinen Mut zu beweisen. Im Moment aber interessierte mich das alles nicht mehr.
»Entschuldige, ich bin gleich wieder da!«
Ich ging ins Bad und ließ den Wasserhahn am Waschbecken laufen, bevor ich die Klobrille hochklappte, Lella sollte mich nicht hören. Warum war sie bloß hier? Bestimmt nicht wegen meiner für Sizilien recht imposanten Größe oder den athletischen Schultern, auch nicht wegen meiner muskulösen Arme oder wegen meines Schwanzes, der nun nicht das kleinste bisschen mehr pochte, sondern sich vor Schreck zu einem schlaffen Nichts zurückentwickelt hatte. Fast so klein wie der Kapuziner von damals. Was wollte sie von mir? Sie hatte irgendetwas beschlossen, das mit mir zu tun hatte, aber das konnte sie vergessen, was immer sie plante. Alles, was diese junge Frau anging, brachte mich durcheinander, so durcheinander, dass ich mich nicht mehr auf das wichtigste Vorhaben in meinem Leben konzentrieren können würde. Ein so intensives Gefühl wie mit Brigida hatte ich noch nie zuvor erlebt. Seit einem Jahr schon sann ich darüber nach, wie ich ihr meine Liebe erklären sollte. Einmal hatte ich es gewagt, aber nachher musste ich feststellen, dass sie währenddessen eingeschlafen war. Erst dachte ich, sie mache Scherze, aber sie hat sogar leise geschnarcht. Aber jetzt hatte ich die richtige Idee, wie ich ihre Aufmerksamkeit würde fesseln können. Denn während ich Lella im Flugzeug von Brigida erzählte, hatte ich beschlossen, Brigidas Heimatort ausfindig zu machen und ihre Eltern um die Hand ihrer Tochter zu bitten. Dieser Plan erfüllte mich auch jetzt wieder mit einem erregenden Hochgefühl. Derartige Verrücktheiten erwartete sie von mir.
»Du spinnst ja!«, würde sie sagen, es klang schon in meinen Ohren. »Du spinnst ja,
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