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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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die Lady Madonna überhaupt hereingebeten? Sie musste ganz schnell wieder aus meinem Zimmer und aus meinem Leben verschwinden.
    Als ich aus dem Badezimmer kam, war Lella tatsächlich weg. Auf meinem Bett lag ein Zettel: »Bin in der Bar gegenüber.«
    Niemals, ich schüttelte den Kopf, ich würde schön da bleiben, wo ich hingehörte!

Kapitel 12
    LELLA
    Ob er kommen würde? Durch das Fenster der Bar konnte ich den Eingang des Hotels gut beobachten. Wahrscheinlich nicht. Es war geradezu unverschämt, wie ich mich benommen hatte. Ich war einfach so in sein Hotelzimmer spaziert. Völlig überrascht und halb nackt hatte er vor mir gestanden.
    Was hatte ich mir eigentlich vorgestellt? Es würde niemals klappen. Ich holte tief Luft, aber das beklemmende Gefühl in meinen Lungen blieb.
    Gut, dass Mario, der Taxifahrer, noch wusste, wo er Phil gestern Abend hingebracht hatte. Hotel Oriente in der Via Corto, eine kleine enge Gasse, momentan für Autos gesperrt. Wahrscheinlich wegen der Bauarbeiten. Überall standen Baugerüste an den Häusern, auch direkt neben dem Hoteleingang. Das Viertel hatte sich verändert; vermutlich galt es heute als schick, nahe dem alten Hafen in der Kalsa zu wohnen. Nach Leonardos tödlichem Unfall hatte ich die Kalsa gemieden. Ich war nie wieder zwischen den prächtig renovierten Palazzi und den verfallenen Gebäuden des Quartiers umhergelaufen. Und nun saß ich mittendrin, ganz nah am La Sirena, vor meinem Milchkaffee.

    Bei meinem heimlichen Besuch zu Leonardos Hochzeit, aus dem dann über ein Jahr wurde, hatte ich mich mit dem Taxi direkt zum Restaurant in die Via Paternostro bringen lassen. Wir hatten uns minutenlang in den Armen gelegen. Zwei Köche rannten zwischen den Öfen umher, zerkleinerten dann in mörderischem Tempo und mit großen Messern irgendetwas Buschig-Grünes, das sie eilig mit den Händen in einen Topf schaufelten.
    »Bis morgen dann, Leonä. He, und viel Glück!«, grüßten sie Leonardo, bevor ihre Messer weiterhackten. Die Hintertür des Restaurants stand offen, wir traten hinaus. Leere Holzstiegen und Olivenölkanister stapelten sich auf dem Pflaster. Ein schmutzig grauer Kasten brummte unter dem vergitterten Fenster und blies lauwarme Luft auf die Gasse, die ich keinesfalls einatmen wollte. Es war Samstag, gegen sechs Uhr nachmittags.
    »Hier, genau hier, haben Grazia und ich uns zum zweiten Mal gesehen, zum zweiten Mal ohne Verabredung. Was für ein Zufall, oder?« Leonardo hatte sein kurzes, sorgloses Lachen gelacht. »Genau hier ist sie in mich hineingelaufen.«
    Ich hatte die schmale Gasse entlanggeschaut. Wäscheleinen kreuzten sich oben, wo die baufälligen Häuser immer enger aneinanderrückten und die Bewohner sich etwas zurufen konnten, ohne sich sehen zu lassen. Ein Korb wurde an einem Seil in den zweiten Stock gezogen. Ich entdeckte in ihm ein kleines Hündchen, das auf mich herunterkläffte.
    »Eigentlich war ich an diesem Vormittag, als ich sie traf, nur zum höflichen Schauen da. Ich wollte den Job gar nicht«, fuhr Leonardo fort. »Claudio Acquabollente, der Sohn vom Notar, bei dem ich tags zuvor die Papiere für Mammas Häuschen unterschreiben musste, war
der Meinung, ich wäre wie geschaffen für das Sirena. Er hat mich hergeschleppt. Ich mochte den Kerl von Anfang an, er nahm alles so ernst und wusste doch so viele komische Geschichten.« Leonardo lachte. »Va bene, habe ich ihm gesagt, mir gefällt es in dem Restaurant bei den Schweizern zwar sehr gut, ich bin da immerhin Souschef, aber lass uns einfach mal vorbeigehen. Während wir da also in der Küche herumstanden, kam Giovanni, der Spüler mit dem kaputten Bein. Er zog einen Pappkarton hinter sich her und trug einen Eimer mit verdorbenen Sardellen. Das ist seine Arbeit: spülen und Zeug wegschmeißen. Aber da kannte ich ihn ja noch nicht. Er zockelte also an mir vorbei, und ich sag ihm: ﹥Gib her! Wo muss das hin?﹤« Leonardo grinste. »Das ist ein Trick! Ich guck mir die Karte, den Müll und die Kühlhäuser an, und schon weiß ich, wie der Laden läuft... Und dann... Bamm!, lief dieses Mädchen um die Ecke, und wir haben uns nur angeguckt, und ich konnte überhaupt nichts sagen und wollte auch nichts sagen. Ich hatte sie nämlich schon einmal gesehen, in Porticello, vor Mammas Häuschen, direkt auf den Felsen, am Meer. Mit einem Zeichenblock auf den Knien. Der war leer, nichts drauf. Sie saß einfach nur da und schaute aufs Wasser. Aber wie sie die Kreide in der Hand hielt, die Art, das hat

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