Das Limonenhaus
nicht gerne über ihre Heimat.« Er trank endlich, ganz ruhig, aber sein wippender Fuß verriet ihn.
»Und du meinst, dass ihr das gefällt, wenn du ihre Eltern besuchst, also, falls du sie je finden solltest. Ich könnte mir vorstellen, dass sie ziemlich sauer wird, wenn...«
»Malfa! Ich wusste doch, sie hat das mal beiläufig erwähnt, da habe ich es mir notiert. Hier, hier steht es in meinem Kalender. Malfa, klingt wie Mafia. Oder sollen das hier doch eher zwei »f« sein, Maffa?«
Pfff. Viel Spaß beim Suchen..., dachte ich.
»Vielleicht fange ich am besten im Internet an. Meinst du, es könnte hier in der Nähe ein Internetcafé geben?«
»Hier in der Kalsa? Nicht dass ich wüsste.«
Ich stand auf, um zu bezahlen. Noch hatte ich ihn nicht, aber bald.
»Ob der richtige Ort dir allerdings weiterhilft? Sizilianer rücken nicht gerne mit Informationen heraus.« Mein Lächeln wollte nicht recht gelingen. »Etwas, was du nicht weißt, sollst du auch nicht wissen. Allein dass du fragst, macht dich für sie schon verdächtig.«
»Ja, das kommt mir recht bekannt vor.« Phil stieß einen Seufzer aus. »Und niemand ist der englischen Sprache mächtig!« Er hatte absolut recht.
»O doch, da findest du schon jemanden.«
Phils Handy spielte die Kleine Nachtmusik, die Brigida-Musik, wie ich seit gestern wusste. Er sprang auf und drehte sich mit ihr am Ohr zum Fenster. Das blasse Mädchen reichte mir lächelnd das Wechselgeld über die Theke.
»Wollt ihr nach Malfa, nach Salina? Entschuldige, ich habe zufällig den Namen gehört. Die Insel ist wunderschön, ich fahre im Sommer oft an den Wochenenden rüber, direkt von Palermo mit der Fähre.«
»Danke, ja, wir überlegen es uns. Direkt von Palermo, sagst du?«
»Ja. Aber eigentlich nein.« Sie kicherte und knickste und zeigte dabei ihre mit einer Zahnspange verdrahteten Zähne, die Augen fest auf Phil gerichtet. »Die fahren erst ab dem zwanzigsten Juni von hier. Zurzeit gehen die Fähren nur von Milazzo.«
»Schade, trotzdem vielen Dank für den Tipp!«
»Und?« Phil kam an die Theke, er klappte sein Handy zu. »Kennt sie vielleicht den Ort?«
»Nein, sie hat keine Ahnung. Also, das ist mein letzter Vorschlag: Du hilfst mir, und ich helfe dir, und dann geht jeder seiner Wege.«
Kapitel 13
PHIL
»Fahr vorbei, das passt schon!«
Ich versuchte, um zwei Nuancen lässiger zu klingen, aber was mir bei Brigida immer mühelos gelang, versagte hier. Meine Stimme klang aufgeregt und atemlos. Ich fühlte mich von Lella ausgetrickst. Sie hatte es geschafft, mich zu dieser Fahrt zu überreden, ohne auch nur ein einziges Mal zu lächeln.
Lella gab Gas, schaltete in den ersten und dann sofort in den zweiten Gang. Sie jagte um die Ecken, als kenne sie sich aus. Schon hatten wir das Gassengewirr hinter uns gelassen, umrundeten ein Reiterdenkmal und fuhren schließlich immer geradeaus.
Im Kofferraum lag mein schwarzer Koffer wie ein Liebhaber auf ihrem schwarzen Koffer. Ich räusperte mich, was für ein alberner Gedanke. In diesen Kleinwagen passten die Gepäckstücke nun mal nicht anders hinein.
Nein, sie hatte mich nicht ausgetrickst, ich hatte nur eben in der Bar eine schwache Sekunde lang das Gefühl gehabt, es wäre nicht der richtige Zeitpunkt, sie zu verlassen. Brigida ist nicht hier, hatte ich mir gesagt, fahr einfach mit, kein Problem. Außerdem war ich tatsächlich neugierig auf
die trauernden Menschen gewesen. Vielleicht gelangen mir endlich einmal außergewöhnliche Porträts, die ich Brigida zeigen konnte. Lella würde ich natürlich komplett aus der Geschichte herausstreichen müssen, aber das war keine Schwierigkeit. Ich würde sie durch einen imaginären Antonio ersetzen.
Doch schon stiegen wieder Zweifel in mir hoch. Anstatt mich auf meine Arbeit vorzubereiten oder durch Palermos Gassen zu bummeln und nach einem ausgefallenen Geschenk für Brigida zu suchen, saß ich bei diesem Mädchen im Auto. Ich warf einen Seitenblick. Lella schien meine Unruhe zu spüren, sie kaute auf ihrer Unterlippe.
»Zehn vor neun, um zwölf sind wir wieder hier, spätestens! Wie, sagtest du, heißt dein neues Hotel?«
»Hotel Padella d’oro«, sagte ich.
»Goldene Pfanne, toller Name!« Trotz der heiteren Tonart, die sie anschlug, wirkten ihr Mund und ihre Stirn von der Seite gesehen verzweifelt. Plötzlich hätte ich gerne ihre Hand genommen, um zu fühlen, ob unsere Hände die gleiche Temperatur hatten, so wie gestern vor dem Flughafen. Stattdessen sagte ich:
»Die
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