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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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»Siziliens Küche ist alles, nur nicht mild oder lau. Sie ist süß und sauer, salzig oder pikant, sie ist fruchtig wie Kaktusfrüchte oder bitter wie eine granita al caffè. Und dazu das Scharfe, das die Araber zusammen mit Safran, Rosinen, Zimt und Nelken mitgebracht haben. Sizilien ist ˿ dein Paradies.«
    O Gott, was redete ich denn da? Sizilien ist dein Paradies? Hatte ich wirklich »dein Paradies« gesagt? Ich beschloss, nur noch zu schweigen. Es war zu spät, um normal miteinander zu reden.
    Phil lachte. »Dennoch habe ich mich noch nicht daran gewöhnt, hier zu sein, auch wenn es das Paradies ist.« Und dann, ohne Vorwarnung: »Hast du Angst?«
    Ich zuckte mit den Achseln.
    »Vor denen, die uns verfolgen, vor diesen Brüdern?«, versuchte Phil es noch einmal.
    Ich seufzte. »Die werden weiter nach uns suchen, so viel ist sicher. Vielleicht haben sie Matilde auch schon als entführt gemeldet, und ab morgen blickt uns ihr Foto aus allen
Zeitungen oder im Fernsehen entgegen. Aber ich glaube eigentlich nicht, dass sie die Polizei einschalten, hier hält man die Polizei eher raus aus solchen Dingen. Natürlich mache ich mir Sorgen, aber seit wir auf der Insel angekommen sind, fühle ich mich komischerweise sicher. Als ob wir uns gar nicht mehr in ihrer Welt befänden, als ob sie Matilde und mich vergessen hätten.«
    Phil schaute zu Boden. »Ich, ich muss schon bald wieder zurück, übermorgen Abend, spätestens«, auf einmal stotterte er, »aber bis dahin...«
    »... aber bis dahin?«, wiederholte ich gespannt.
    »Nun ja, bis dahin könnte ich bleiben und die Augen offen halten.« Ohne die Antwort abzuwarten, nahm Phil das Tablett und brachte es in die Küche.
    »Danke!«, rief ich. »Bis morgen. Gute Nacht!«
    Das Licht in der Küche erlosch. Ich streckte mich neben Matilde aus und wartete auf das Geräusch der Tür, die er hinter sich schließen würde. Ich hörte nichts. Die Stille kam aus der Küche über die Schwelle gekrochen. Er war noch da, das spürte ich, bewegungslos verharrte er dort nebenan in der Dunkelheit. Was tat er?
    Ich blieb ganz ruhig liegen. Wenn ich mich nicht bewegte, bliebe er vielleicht die ganze Nacht dort stehen. Erstaunt bemerkte ich, dass mir dieser Gedanke gefiel.
    Sein Kopf erschien am Türrahmen: »Also, ich könnte auch, aber nur wenn es dir nichts ausmacht, könnte ich auch hier schlafen.«
    Ein unbekannter Mann wollte bei mir im Haus schlafen? Das ging auf keinen Fall! Mein Vater hatte mit seiner Erziehung mehr Erfolg, als er ahnte.
    »Danke, aber ich glaube, mit Matilde wird es keine Probleme
geben, die Ärztin hat ihr auch etwas zum Schlafen verabreicht.«
    Er war so ernst, und jetzt guckte er wirklich besorgt und wunderschön. O Dio , wie hinreißend er war, wenn er ernst war! »Und wenn was ist, rufe ich dich.«
    »Gut, aber scheue dich nicht, auch nachts um vier, wenn sich irgendwas bei ihr ändert, mein Angebot steht...« Er blieb immer noch stehen.
    »Ist noch was?«, fragte ich.
    »Gestern Nacht bin ich andauernd aufgewacht. Es war laut, als ob die Stadt es nicht ertragen konnte, mich schlafen zu lassen.«
    »Keine Sorge, das wird dir hier nicht passieren. Und wenn doch, dann scheue dich nicht, hinüberzukommen, okay?«
    Wir lachten beide, hörten aber sofort wieder auf, als ob mehr nicht erlaubt wäre. Er ging. Ich knipste die Nachttischlampe aus.
    Ohne etwas zu sehen, streifte ich Hose und Bluse ab und schob mich neben Matilde unter das Laken. Für mehr war ich einfach zu müde. Der Mond war nicht zu sehen, kein einziger Stern stand am Himmel, undurchdringliche Dunkelheit überspannte die Insel. Niemand würde uns hier finden, wir waren zu gut versteckt, versunken in einer anderen Zeit. Sorgfältig deckte ich uns beide zu und schlief sofort ein.

Kapitel 15
    LELLA
    Ich schnupperte. Die Tassen rochen nach Schrank und der Schrank nach muffigem Einlegepapier. Also wusch ich das Frühstücksgeschirr schnell ab, bevor ich es wieder auf den Tisch stellte.
    Phil wusste nicht, wie muffige Tassen schmeckten. Ein großer Teil des Lebens rauschte unerkannt durch seine Nase und weckte nichts in ihm, keine Erinnerungen, keine Abscheu, keinen Appetit, keine Sehnsucht...
    Susannas Küche tauchte vor meinen Augen auf: die Lorbeerblätter, die neben den Rosmarinzweigen von der Decke hingen; die kleinen Tütchen oben auf dem Regal mit den echten Safranfäden, die das Risotto so schön gelb färbten. Die Pilze, die ich mit Timmi im Herbst zum Trocknen an Fäden durch den Raum gespannt

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