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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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wirklich, aber er legte mir nahe, mir eine eigene Wohnung zu suchen. Ich war eingeschnappt und ging zurück nach Köln.«
    Das war nicht die ganze Wahrheit, aber Phil war ein Fremder. Fremden erzählt man nicht die Wahrheit, es sei denn, man ist sicher, sie nie wiederzusehen.
    »Vielleicht habe ich ihn zu sehr geliebt, wer weiß? Als ich mich einigermaßen von meinem Beleidigt-Sein erholt hatte, starb Leonardo.«
    Phils Glas blieb auf halbem Weg zum Mund in der Luft stehen. Ich hatte nicht vor, ihn aus seiner Starre zu erlösen.
    »Und nun zu Matilde.« Ich berührte Matilde leicht an der Schläfe. »Siehst du hier, an der rechten Augenbraue, da machen
die Härchen so einen Knick, den hatte sie schon am Tag ihrer Geburt.«
    Phil nahm endlich das Glas wieder runter und kniff seine Augen ein wenig zusammen.
    »Da lag sie so klein und leicht das erste Mal in meinen Armen und schaute mich mit diesem allwissenden Blick von Neugeborenen an. Ich habe mich sofort in sie verliebt und liebe sie heute noch genauso sehr wie an jenem Tag.« Ich stippte ein paar Brotkrümel von meinem Teller und sah aus den Augenwinkeln, wie sein Blick mein Gesicht streifte.
    »Grazia?«, sagte ich zu meinem Teller. »Ich mochte Grazia nie besonders. Mehr ist zu meiner Verteidigung nicht zu sagen.« Ich räusperte mich: »So, das war eine kurze Zusammenfassung meines Lebens.« Schnell griff ich nach meinem Glas. Es war leer. Phil stand auf, holte die Flasche aus der Küche und schenkte mir nach. Was für ein aufmerksamer Mann! Ein aufmerksamer Mann mit wunderbaren Zähnen...
     
    Wenn ich mich jetzt einfach auf seinen Schoß setzte, würde er aufspringen, mich abschütteln? Was für eine Vorstellung! Das kam nur vom Wein. Denn wenn ich auch noch so betrunken wäre, niemals würde ich etwas Derartiges tun. Die Erziehung meines Vaters hielt mich davon ab. L’onore e la reputazione. Immer wieder hatte er mich als kleines Mädchen darauf hingewiesen. Ihre Ehre und ihr Ruf, das waren die Schätze einer jeden Frau!
    »Aber was du in Deutschland machst, das kann ich doch fragen.«
    Ich biss in mein Brot, erleichtert, dass Phil meine Gedanken nicht lesen konnte.

    »Ich koche. Meine Eltern haben eine Pizzeria.«
    »Also das hast du gelernt, Köchin?«, fragte er.
    »Ja, so kann man es auch sagen. Nichts anderes gelernt und Köchin geblieben.«
    »Dann gibt’s bei dir bestimmt immer sehr gut zu essen.«
    »Köche essen zu Hause selten sehr gut«, wehrte ich ab, »zu Hause schmieren die sich meistens nur ein Leberwurstbrot und essen es mit einer sauren Gurke dazu. Oder sie gehen gleich auswärts essen, um über die Kollegen lästern zu können.« Das wusste ich von Leonardo.
    »Leberwurstbrot! Und das von einer Sizilianerin auf einer sizilianischen Insel. Das passt überhaupt nicht zu dir, solche Worte aus deinem Mund!«
    »Ich bin keine Sizilianerin, ich bin in Deutschland geboren. Bis vor fünf Jahren kannte ich Sizilien nur von dem Foto, das bei unseren Nachbarn über dem Sofa im Wohnzimmer hing. Der Ätna über Orangenhainen, blauer Himmel, weiße Rauchfahne. Trotzdem«, fügte ich hinzu, als ich sein enttäuschtes Gesicht sah, »lassen Köchinnen sich gerne mal ein Tablett mit Käse und cucunci servieren, liebend gern.« Um nicht wieder dumm loszukichern, schob ich mir schnell ein Stück Parmesan in den Mund.
    »Aber falls ich mal etwas kochen sollte...« Ich hatte keine Ahnung, wie ich den Satz zu Ende bringen wollte.
    »Was ich überhaupt schmecken kann, meinst du?«
    »Äh, nein!« Ich spürte, wie sich die Röte in meinem Gesicht ausbreitete. In diesem Moment hatte ich überhaupt nicht mehr daran gedacht, dass er nicht riechen konnte. Keinesfalls hätte ich ihn so direkt danach gefragt.
    »Nichts. Kaum etwas. Süß. Scharf. Bitter. Salzig. Sauer. Ist aber nicht schlimm.«

    Süß, scharf, bitter, salzig, sauer... Das war so aufregend wie ein starker Schnupfen. Aber sofort fing ich in Gedanken an, ein Menü für ihn zusammenzustellen. Mach ihm einen pikanten Orangen-Salat mit schwarzen Oliven, dazu eine caponata, süß-sauer eingelegtes Gemüse mit Auberginen und viel Sellerie, dachte ich bei mir. Oder vielleicht pasta con le sarde, mit salzigen Sardinen, wildem Fenchel und Pinienkernen, da schmeckt er bestimmt einiges. Pesce spada, Schwertfisch, vielleicht sogar im Salzmantel, und als Zwischengang dann eine erfrischende granita aus Zitronen für den sauren oder aus dunkelvioletten Maulbeeren für den süßen Geschmack.
    Laut sagte ich:

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