Das Limonenhaus
so, als ob ich mir Gedanken um das Abendessen mache. Unglaublich!«
»Ich kann dir nur den Roller anbieten«, sagte Phil ruhig und knotete den Bindfaden noch fester.
»Aber ich kann doch Matilde nicht alleine lassen.« Meine Stimme schnappte über, und Phil guckte erstaunt auf.
»Tut mir leid«, entschuldigte ich mich. »Ich bin wie gelähmt und zugleich ganz hibbelig. Ich habe das Gefühl, ich muss diesmal unbedingt alles richtig machen, um Matilde hier heil herauszubekommen. Und gleichzeitig fühle ich mich machtlos. Immer, wenn ich bisher versucht habe, alles richtig zu machen, ging es total schief.«
»Dann fahre ich eben«, sagte Phil leichthin. Er hatte einen Brocken Lavagestein zu einem handlichen Paket verpackt und begutachtete nun den bereits etwas welken Ast des Maulbeerbaums. Vermutlich plante er, ihn per Express-Zustellung hinterherzuschicken.
»Ich werde alle italienischen Zeitungen, die zu bekommen sind, mitbringen und stelle mich in eine Bar mit Fernseher. Falls Matilde in den Nachrichten ist, bekomme ich das schon mit. Ich wollte ohnehin noch mal zu dem Laden, wo es das Packpapier gibt, und zur Post muss ich auch.«
Ich hörte nebenan Türen zuklappen, kurz darauf das Gittertörchen der Terrasse und dann den Roller, der sich knatternd entfernte. Die Stunden vergingen.
»Was soll ich dir malen«, fragte ich Matilde, »was wünschst du dir?«
»Hübsche Sachen, nur für Mädchen«, sagte sie leise.
Also malte ich Pferde, Prinzessinnen, Balletttänzerinnen mit starren Tutus und Märchenschlösser. Wir ließen Bandito über die Decke stolpern und verbanden ihm seinen Bärenkopf. Ich gab ihr pünktlich den Antibiotikasaft mit Bananengeschmack und las ihr vor. Zwischendurch schlief sie immer mal wieder ein, dann wusch ich ihre völlig durchgeschwitzte Unterwäsche und ihre Nachthemden aus, hängte sie in den warmen Wind auf die Leine und bereitete summend das Abendessen vor. Ich schnitt die Auberginen in dicke Scheiben, bestreute sie mit reichlich Salz und ließ sie Wasser ziehen, um ihnen die Bitterkeit zu nehmen. Minutenlang stand ich dann wieder an Matildes Bett und schaute ihrem kleinen Körper beim Schlafen zu.
Irgendwann ertönte draußen das Geknatter des Rollers, Phil kam zurück.
»Nichts!«, rief er mir schon von unten aus dem Garten entgegen. Ich atmete tief durch, immer noch keine Suchmeldungen nach Matilde! Phil brachte Obst, frisches Brot und hellgrüne Fenchelknollen mit, legte mir dann die drei Tageszeitungen auf den Tisch und blätterte sie vor mir zum Beweis durch. »La Sicilia , Giornale di Sicilia, Salina Oggi. Wirklich nichts. Und auch kein Bericht in den Fernsehnachrichten.« Wir nickten uns schweigend zu.
An diesem Abend saßen wir auf der Veranda, aßen pasta alla norma mit frischem Basilikum und tranken eine Flasche Pinot Grigio dazu. Phil schwärmte von Rinella, einem kleinen Ort auf der anderen Seite der Insel, und der süß-sauren caponata, die er dort in einer Trattoria gegessen hatte.
»Ist es in Ordnung, wenn ich mir für morgen etwas zu essen wünsche?«
»Natürlich.«
»Kannst du diese caponata zubereiten?«
»Ich denke doch.«
»Ich helfe dir auch, das ist nämlich endlich mal etwas, was ich schmecken kann. Ich würde gerne lernen, wie man das hinbekommt.«
Danach lehnten wir uns in unseren Rattansesseln zurück und schauten zwischen den Säulen hindurch auf das diesige Meer. Wir nippten an unseren Weingläsern, hörten den Grillen und dem Wind zu und schwiegen miteinander. Irgendetwas in meinem Inneren schien ganz langsam aufzuatmen. Nun suchte ich nicht einmal mehr nach Sätzen, die es wert waren, unser Schweigen zu brechen. Ich genoss die stehen gebliebene Zeit und fühlte, dass es Phil genauso ging.
Der folgende Tag verging ähnlich wie der zweite, die Stunden krochen dahin, doch für mich hätten sie ruhig noch langsamer vergehen können. Phil holte morgens Brot, wir frühstückten in meiner Küche, dann fuhr er mit dem Roller auf Erkundungsfahrt. Ich spielte mit Matilde, las ihr vor und rieb sie von oben bis unten mit einem warmen Waschlappen vorsichtig ab. Ab und zu versuchte ich, sie zum Essen zu bewegen, oder lag neben ihr, hielt ihre Hand und las.
Nach Phils Rückkehr erzählte er mir von seinen Entdeckungen. »Ich bin heute nach Pollara gefahren. Das Dorf liegt in einer Senke, im Reiseführer steht, es sei ein in sich zusammengefallener Vulkan. Zum Strand geht es eine bewachsene Schlucht hinunter. Da gab es Risse im Boden, sogar ziemlich
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