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Das Limonenhaus

Titel: Das Limonenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gerstenberger
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schwang hin und her und bat mit hohem Stimmchen um Hilfe. Ich rutschte vor Lachen fast von meinem Rattansessel. »Auf keinen Fall wollte ich dieses fremde Wesen essen, aber ich wollte die kämpfende Tüte auch nicht dem Fischer überlassen.«
    »Was hast du getan?«
    »Ich habe bezahlt.«

    »Und wo ist die Tüte?«
    »Ich sagte doch, ich bin ein Weichei.«
    »Bist du? Wie weich denn?«
    »Ich habe den Polpo zurück ins Hafenbecken geschmissen. Ohne Tüte.« Er lächelte mich zerknirscht an. Ich wischte mir die Lachtränen aus den Augen. Danke für jedes Lächeln von dir, das mich in den Himmel fliegen lässt, dachte ich seltsam beglückt. Wir tranken Wein, die Dunkelheit sank auf uns herab, und das Meer rauschte wie in aller Ewigkeit.
     
    Der nächste Tag schlich heran. Eine Sekunde nach dem Erwachen stellte ich zufrieden fest, dass ich auch heute nicht vorhatte nachzurechnen, wie viele Tage seit Leonardos Tod vergangen waren. Es war unser fünfter Tag auf Salina, das genügte mir.
    Nach dem Frühstück fragte Phil mich, ob ich eigentlich Roller fahren könnte.
    »Natürlich, auf Sizilien bin ich immer mit dem Roller gefahren.«
    »Dann mach doch einen Ausflug! Fahr ein bisschen rum. Es hört sich abgeschmackt an, aber es ist herrlich, sehr inspirierend, du wirst sehen.«
    Inspirierend? Wofür? Und konnte ich Matilde wirklich alleine lassen? Aber warum eigentlich nicht? Sie war bereits in ihren Vormittagsschlaf versunken, der meistens an die zwei Stunden dauerte. Nachdem wir unsere Handynummern ausgetauscht und eingespeichert hatten, »nur für alle Fälle«, wie Phil betonte, nahm ich ihm zögernd den Schlüssel aus der Hand. Unter seinen wachsamen Augen startete ich den Roller, ließ die Kupplung kommen und gab Gas. Ich konnte es noch!

    Langsam und beglückt tuckerte ich durch Malfa und entschied mich an der nächsten größeren Kreuzung für Pollara. Im Schatten der steilen Bergwände, die wie ein aufgeschnittener Termitenbau aus festgebackenem Sand aussahen, gondelte ich die Serpentinen hinunter, die bleichen, zerlöcherten Schichten begleiteten mich durch die Kurven.
    Ich folgte dem Pfeil mit den drei aufgemalten Wellen, der zum Strand führte. Das Meer lag tief unter mir. Ich hangelte mich den Abhang hinunter und sah, dass das Wasser tatsächlich so glasklar und die überhängenden Felsen so gigantisch waren, wie Phil behauptet hatte. Vor dem Absperrgitter hatte die Comune ein Schild aufgestellt, das besagte, es würde keine Verantwortung für Personenschäden übernommen. Das Gitter war seitlich aufgebogen. Es wäre ein Leichtes gewesen, mich durch die Lücke zu zwängen, um zum Strand zu gelangen. Doch das war undenkbar. Was würde geschehen, wenn ausgerechnet ich von einem herabfallenden Felsbrocken begraben wurde? Besorgt zog ich mein telefonino aus der Tasche und rief Phil an.
    »Bei uns ist alles prima, wir schauen ein Buch an. Ich geb dir mal Matilde.«
    Es raschelte und ein schüchternes »Ciao« erklang an meinem Ohr. Ich versicherte Matilde, dass ich ganz bald wieder da wäre, und stellte ihr ein paar Fragen, die sie nickend beantwortete, ich hörte zumindest nichts.
    »Phil spricht alles mit den Händen«, sagte sie auf einmal. »Und er hat keinen Goldring wie nonno, er hat überhaupt keinen Ring.« Sie küsste mich durchs Telefon, und ich legte auf.
    Ich kletterte die Schlucht hoch, wo der Roller wie ein braver Esel auf mich wartete. Weil der Name mir so gut gefiel,
folgte ich den blauen Schildern bis nach Rinella. Dort aß ich in einer Bar ein panino, saß eine Weile am Hafen und entdeckte am Kai sogar den alten, rostigen Kran, mit dem der Jaguar von Brigidas Vater vor Jahren von der Fähre gehoben worden sein musste. Ich bummelte auf den ansteigenden Straßen durch den Ort. Hier und da fielen mir frisch gestrichene Mauern und andere Renovierungsarbeiten an den Häusern auf. Rinella machte sich langsam startklar für die Sommertouristen. Aus dem geöffneten Fenster einer Restaurantküche kam das Ritsch-ritsch-ritsch eines Messers, das über einen Wetzstahl gezogen wurde, vor zurück, vor zurück. Neben der offenen Tür stand eine Menü-Tafel. Ein junges Mädchen kam heraus, wischte die Tafel ab und schrieb gemächlich mit quietschender Kreide: »Oggi: -« Sie überlegte, setzte an, zögerte, legte die Kreide hin und ging hinein. »Heute: -?« Ich wartete, aber sie kam nicht wieder. Ich schlenderte weiter, setzte mich vor eine Bar in die Sonne und wählte erneut Phils Nummer.
    »Sie hat ein paar

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