Das Limonenhaus
Abstellkämmerchen neben der Toilette, in das ihn sein Vater verbannt hatte, spürte ich, wie der Turm meiner zurechtgelogenen Liebe zusammenbrach. Also drehte ich mich wieder zu ihm und erklärte, er müsse keine Angst haben, er werde seinen Alfa Romeo nicht verkaufen müssen.« Lella trank ihr Glas in einem Zug aus und hielt es mir sogleich wieder hin.
»Ich weinte einen Tag lang, bis mein Kopfkissen nasser war als die Wände.«
»Aber der ›Testa-die-sowieso‹ hätte dich doch geheiratet, oder?«, fragte ich.
»Wenn ich schwanger geworden wäre, hätte er das sofort getan, natürlich, er war ja ein sizilianischer Mann. Aber ich war nun mal nicht schwanger, und freiwillig hatte er keine Lust dazu. Es war sein Blick, der genau das widerspiegelte und der meine Liebe zu ihm tötete. Liebe!« Sie schnaubte verächtlich. »Sagen wir, das, was ich kurzfristig dafür gehalten hatte.«
»Aber hättest du nicht einfach bei deinem Bruder bleiben können, auch ohne Claudio?«
Sie schüttelte den Kopf. »Am nächsten Abend wollte ich mit Leonardo darüber reden, und da kam es zu dem großen Streit. ›Helfen, helfen!‹, hatte mein Bruder gestöhnt, sich an den Kopf gegriffen und mich angeguckt wie eine Fremde, die sich unbegreiflicherweise in sein Haus geschlichen hat.,Siehst du nicht, dass Grazia unglücklich ist? Dass du ihr gar keine Chance gibst, ihr Kind kennenzulernen? Du störst uns, merkst du das denn nicht?!«
Lella stand auf und räumte die Teller in die Spüle. Sie räusperte sich und sprach mit dem Rücken zu mir weiter. »Ich war am Ende, ich war so verletzt wie noch nie. Solche Anschuldigungen, von meinem Zwillingsbruder, von Leonardo!« Ihr gerader Rücken krümmte sich, als sie durch das Fenster über der Spüle hinausblickte und weitersprach. »Ich packte noch in derselben Nacht. Am nächsten Morgen konnte ich mich Zia Pinas riesigem Bett schon nicht mehr nähern. Sie lagerten immer wie die Heilige Familie darauf, Maria und Josef, dazwischen Matilde mit ihrem unwiderstehlichen Babygeruch... Sie waren sich selbst genug, da war kein Platz für mich, ich hatte es nur nicht gemerkt. Der Gedanke war furchtbar, und so flog ich ohne Abschied zurück nach Köln. Mein Vater nahm mich mit
offenen Armen wieder auf. Er hatte mir verziehen, sobald er mich sah.«
»Was hat er dir denn verzeihen müssen?«
Sie drehte sich endlich wieder zu mir um. »Na, dass ich über ein Jahr auf Sizilien geblieben bin, gegen seinen Willen. Hatte ich das nicht erwähnt?«
»Nein, hattest du nicht«, erwiderte ich. »Also alle, die nach Sizilien gingen, wurden bei euch enterbt, erst dein Bruder, dann du. Ist das richtig?«
»Ja.«
»Warum eigentlich?!«
»Ich weiß es nicht.« Sie zuckte mit den Schultern. »Seitdem arbeitete ich wieder bei uns im Restaurant. Tja. Mehr gibt es nicht zu erzählen.«
Ich stand von meinem Stuhl auf, blieb aber am Tisch stehen. »Hat sich denn keiner von den beiden bei dir gemeldet?«
Lella lehnte sich mit verschränkten Armen an die Spüle. »Nach Monaten kamen Briefe von Claudio, die klangen wie die Standard-Entschuldigungsbriefe aus einem dieser Bücher. Er sei jung und unreif gewesen, er würde mich noch mehr lieben als früher, und ob wir es nicht noch einmal miteinander versuchen sollten. Ich habe nie geantwortet.« Sie fuhr sich erneut durch die Haare, streichelte ihren Nacken. »Mit Leonardo habe ich nach ein paar Wochen ab und zu telefoniert, aber es war nicht mehr so wie früher.« Lella stockte. »Ein Jahr später habe ich ihn wiedergesehen, im Krankenhaus, seine Haut zu achtzig Prozent verbrannt, er sprach zu mir, er hat sogar noch Witze für uns gemacht...«
Ich schwieg, und da kam Lella auf mich zu, legte ganz
leicht ihre Arme um meinen Hals und blieb, den Kopf an meine Brust gelehnt, so stehen.
»Das ist jetzt schon vier Jahre her«, murmelte sie, »und noch nie habe ich jemandem das alles erzählt.« Ich drückte sie ganz leicht. In der Scheibe des Küchenfensters spiegelte sich die flackernde Kerzenflamme. Draußen war es stockfinster, nur der Wind war wie am ersten Abend zu hören. Ich versenkte meine Nase in ihrem Haar und hätte gern gewusst, wie es in diesem Moment duftete. Das hat jetzt nichts mit mir zu tun, dachte ich, nichts mit meiner Person. Sie ist eine Frau, sie hat mir etwas sehr Persönliches anvertraut, und ich habe ihr keine Ratschläge gegeben, sondern nur zugehört. Ich habe einfach nur das Richtige getan und gesagt, nämlich nichts.
Es war ein fremdes,
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